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Dekra: FA-Systemen nicht blind vertrauen

Zum 6. Juli 2022 müssen laut EU-Vorschrift viele neu entwickelten Fahrzeuge über bestimmte Fahrerassistenzsysteme verfügen. Die Dekra-Kfz-Experten weisen auf die bleibende Verantwortung der Fahrer und fordern: die zuverlässige Funktion muss unabhängig geprüft werden können.

Der Spurhalteassistent soll warnen, wenn das Fahrzeug aus der Spur zu geraten droht, und bei Überfahren der Linie auch aktiv eingreifen, wenn keine Reaktion erfolgt. | Bild: Dekra.
Der Spurhalteassistent soll warnen, wenn das Fahrzeug aus der Spur zu geraten droht, und bei Überfahren der Linie auch aktiv eingreifen, wenn keine Reaktion erfolgt. | Bild: Dekra.
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Claudia Leistritz

Die neue EU-Vorgabe für die Ausstattung neuer Fahrzeugtypen mit bestimmten Fahrerassistenzsystemen richtet sich nach der Fahrzeugklasse und soll 2024 auf alle Neuzulassungen ausgeweitet werden. Damit will man die Zahl an Unfallopfern in Europa durch „technische Unterstützung“ verringern, wie es heißt. Schließlich sind laut einer EU-Statistik von 2019 rund 95 Prozent aller Verkehrsunfälle „teils“ auf menschliches Versagen zurückzuführen. Mit den technischen Hilfsmitteln verspricht man sich daher eine deutliche Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungsverein (Dekra) warnt in seiner Pressemeldung jedoch davor, sich zu sehr auf die Assistenzsysteme zu verlassen. Die Verantwortung liege nach wie vor in den Händen der Fahrer:

„Moderne Fahrerassistenzsysteme haben großes Potenzial, Unfälle zu vermeiden. Wichtig ist aber auch sich klarzumachen, wo ihre Grenzen liegen“,

sagt Ulrike Hetzel, Vorstandsmitglied und Chief Technology Officer der Expertenorganisation Dekra.

Keine Automatisierung

Wichtig in diesem Zusammenhang sei der Hinweis, dass die nun neu vorgeschriebenen Technologien Assistenzysteme darstellten – „nicht weniger, aber auch nicht mehr“. Das heißt, dass die Anwendungen zwar die Fahrer unterstützen, ihnen die Verantwortung aber nicht abnehmen könnten. „Wir sprechen hier also nicht von automatisierten Fahrfunktionen“, so Hetzel. „Wer am Steuer sitzt, muss auch weiterhin die Kontrolle behalten“.

Nun erhalten auch Pkw und leichte Nutzfahrzeuge die in bestimmten Lkw und Bussen schon länger vorgeschriebenen Systeme wie den manuell deaktivierbaren Notbremsassistenten, der „mindestens stehende und bewegte Fahrzeuge erkennen und selbstständig bremsen“ und ab 2024 zusätzlich auch in der Lage sein soll, auf Fußgänger und Radfahrer zu reagieren.

Aktives Eingreifen

Der vorgeschriebene Notfall-Spurhalteassistent warnt, wenn ein Verlassen des Fahrstreifens droht und greift aktiv ein, wenn der Fahrer auf die Warnung nicht reagiert und das Fahrzeug tatsächlich aus der Spur kommt. Laut TÜV Nord schaltet sich das System automatisch ab, wenn es erkennt dass es beispielsweise aufgrund der Straßenverhältnisse nicht zuverlässig arbeiten kann.

Diese beiden Assistenzen, so die Meldung, gehören zu den Systemen, die in kritischen Situationen, wie beispielsweise auch drohenden Kollisionen, aktiv eingreifen können. „Sie helfen konkret und situationsorientiert Unfälle zu vermeiden, die ansonsten sehr wahrscheinlich wären“.

Präventives Bewerten

Ein anderer Typ von Anwendungen richte sich an potenziell kritisch einzuschätzende Geschehnisse, arbeite also „präventiv“ und somit eher unabhängig von konkreten Situationen.

Zu diesen Arten wird der Totwinkelassistent gezählt. Er warnt, wenn ein anderes Fahrzeug sich außerhalb des durch den Rückspiegel einsehbaren Bereichs (im „toten Winkel“) befindet und einen Spurwechsel gefährlich macht.

Als weitere Sicherheitskomponente dient ein Müdigkeitswarner, der die Aufmerksamkeit des Fahrers registriert und, wenn als notwendig eingeschätzt, zu einer Pause auffordert. Ebenfalls in diese Kategorie gehört die Alkohol-Wegfahrsperre zur Verhinderung von Trunkenheitsfahrten sowie der „Intelligente Geschwindigkeits-Assistent“ (Intelligent Speed Assistant, ISA).

An letzterem ließen sich auch die Grenzen solcher Systeme aufzeigen, meint Hetzel. Die Warnung werde ausgegeben, wenn auf einem bestimmten Streckenabschnitt die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird. Allerdings nehme das System keine Rücksicht auf die reale Situation. So könne das Fahrzeug beispielsweise zwar im zulässigen Geschwindigkeitsbereich unterwegs sein, die aktuelle Straßen- oder Wetterlage jedoch ein geringeres Tempo erfordern. Auf diesen Sachverhalt seien viele Unfälle zurückzuführen. „Unfallexperten sprechen dann von ‚nicht angepasster Geschwindigkeit‘ – und dagegen ist ISA leider wirkungslos“.

Sichere Funktion gewährleisten

Sinnvoll und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit eingesetzt werden könnten die Assistenzsysteme jedoch nur dann, wenn sie auch zuverlässig funktionierten, „über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs“ hinweg. Die unabhängige Prüfung der Funktionen müsse daher auch im Rahmen der Fahrzeugüberwachung sichergestellt werden, resumiert Hetzel.

Laut eines Berichts des Dekra von Mai dieses Jahres gehört Deutschland bei der Prüfung von Fahrassistenzsystemen zwar zu den Vorreitern; so werden schon seit längerer Zeit beispielsweise Airbag, ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) oder Abstandsregler über den HU-Adapter kontrolliert. Jedoch existiere in vielen europäischen Ländern noch keine Assistenzsystemprüfung im Rahmen der Fahrzeuguntersuchung, obwohl in Europa seit Mai 2017 eine einheitliche Prüfvorgabe in Kraft getreten sei. Als ausschlaggebend für das Verfahren wird unter anderem die korrekte Einbettung der Software angesehen, die allerdings stetigen Änderungen unterliegt. Weitere Komplikationen könnten sich aus der Verwendung vernetzter sowie automatisierter Fahrzeuge ergeben. Zudem sind bei E-Fahrzeugen weitere Faktoren zu beachten, beispielsweise in Bezug auf die elektrische Sicherheit.

Zum Stichtag 6. Juli 2022 sind laut TÜV Nord insgesamt folgende neun FA-Systeme in Neuwagen verpflichtend einzubauen: Notbremsassistent, Notfall-Spurhalteassistent, Geschwindigkeitsassistent, Notbremslicht, Unfalldatenspeicher („ereignisbezogene Datenaufzeichnung (Black-Box)“, Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner, Rückfahrassistent, Reifendrucküberwachung, Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre.

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