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Acea-Vorstandsmitglied Harald Seidel: Die europäische Fahrzeugindustrie muss wettbewerbsfähig bleiben

Der Präsident von DAF Trucks fordert in einem Statement mehr Rücksicht auf die Transportindustrie, die als Rückgrat einer funktionierenden Gesellschaft nicht nur auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein dürfe. Der Fahrzeugsektor müsse sich auch global gesehen behaupten können.

Der Transportsektor bildet das Rückgrat einer lebendigen Gesellschaft, sagt Acea-Vorstandsmitglied und DAF-Trucks Präsident Harald Seidel. Null-Emissions-Ziele könnten nur mit den passenden politischen Vorgaben erreicht werden. | Symbolbild: Alexa/Pixabay.
Der Transportsektor bildet das Rückgrat einer lebendigen Gesellschaft, sagt Acea-Vorstandsmitglied und DAF-Trucks Präsident Harald Seidel. Null-Emissions-Ziele könnten nur mit den passenden politischen Vorgaben erreicht werden. | Symbolbild: Alexa/Pixabay.
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Claudia Leistritz

Als Vorsitzender des Nfz-Ausschusses im europäischen Verband der Automobilhersteller Acea (Association des Constructeurs Européens d’Automobiles) und Präsident von DAF Trucks hat sich Harald Seidel gestern, 27. März 2024, zur gegenwärtigen Lage der Fahrzeugindustrie geäußert und dabei speziell den Transportsektor in den Blick genommen. In dem Statement, das auf der Acea-Website veröffentlicht wurde, begründet der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Finanzmanager anhand mehrerer Punkte die hohe Bedeutung der Transportindustrie für die Wirtschaft, die nicht aufs Spiel gesetzt werden solle. Er erklärt, was ein Umstieg auf die Elektromobilität im Nutzfahrzeugsektor bedeuten würde und warum dem Faktor Wettbewerbsfähigkeit bei zukünftigen Planungen gegenüber der „Nachhaltigkeit“ mehr Berücksichtigung zukommen sollte.  

Lkw und Busse lebensnotwendig

Zunächst listet Seidel einige Fakten auf: So werden in der EU rund 80 Prozent aller Güter von Lkw auf dem Landweg befördert, zugleich schultern Busse den größten Anteil am Reiseverkehr in dieser Region. In Analogie zum menschlichen Kreislauf wird die Rolle des Güterverkehrs im wirtschaftlichen Leben veranschaulicht:

„Trucks und Busse sind wie das Blut in unseren Venen, sie transportieren zum Leben unverzichtbaren Sauerstoff und Nährstoffe im Körper. Auf die gleiche Weise halten Lkw und Busse die ganze Gesellschaft in Bewegung.“

Lastwagen beliefern Läden mit Waren, Krankenhäuser mit Medizin und befördern Baumaterialien, so Seidel weiter. Ohne Trucks wären solche Transporte gar nicht möglich. Und Busse leisteten ähnliches im Personenverkehr: so ersetze jeder Bus auf unseren Straßen 50 Fahrzeuge und trage damit wesentlich zur Entlastung des Verkehrs, zur Minderung von Emissionen und zur Verbesserung der Luftqualität bei.

Konkreter Zweck statt Spaß

Der DAF Trucks-Präsident erinnert auch daran, in welcher Weise die Bandbreite unterschiedlichster Lkw mittlerweile unseren Alltag durchdringt und dazu beiträgt, dass unsere moderne Gesellschaft überhaupt am Laufen gehalten werden kann. Ob Fernverkehrs-Lkw, Müllsammelfahrzeuge, Kranbewegungsmaschinen oder Löschfahrzeuge – sie alle unterscheiden sich ganz wesentlich voneinander, sind genau auf ihren jeweiligen Zweck hin konstruiert, um das Leben der Menschen bestmöglich zu unterstützen.

Grundlage für Wirtschaft

Zweifellos sind die Laster in ihren mannigfaltigen Ausführungen aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken, sie bilden, in den Worten von Seidel, das „Rückgrat unserer Gesellschaft“. Ein Truck dient einem lebensnotwendigen Zweck: man kauft ihn um damit zu arbeiten und Geld zu verdienen – ein Auto dagegen, so Seidel, diene im Wesentlichen „nur“ dem eigenen Vergnügen.

Und mit einem weiteren Argument stützt der Manager den in seinen Augen größeren Stellenwert von Lkw im gesellschaftlichen Leben gegenüber Pkw: die meiste Zeit würden Privatautos gar nicht genutzt, während Laster wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung beziehungsweise den hohen Betriebskosten eigentlich möglichst ständig unterwegs sein müssten:

„Ein Truck kann bis zu 150.000 Kilometer im Jahr zurücklegen – das ist im Durchschnitt zwölf Mal mehr als ein Auto. Im geschäftlichen Bereich gehört es zu den wichtigsten Dingen überhaupt, Lkw unablässig in Betrieb zu halten. Eine nicht gefahrene Stunde ist eine verlorene Stunde.“

E-Lkw als Bremsklotz der Wirtschaft

Auch in Bezug auf die Elektromobilität unterscheidet der Finanzexperte deutlich zwischen geschäftsdienlichen und privaten Zwecken:

„Wenn Sie im Urlaub ein batterieelektrisches Auto fahren mag eine Stunde Warten zum Aufladen vielleicht in Ordnung sein. Da kann man Pause machen und sich einen Kaffee holen. Aber für einen Lkw mit verderblichen Waren würde es sich geschäftlich vernichtend auswirken, wenn der Truck zum Laden ein paar Stunden stehen muss. Wenn Sie Blumen aus Holland nach Italien transportieren, bedeutet eine im Verkehr verlorene Stunde eine Stunde Geldverlust mit dem Potential, auch noch die ganze Ware zu verlieren“,

sagt Seidel. Wichtig sei es zu beachten, dass als Hauptunterschied im Vergleich zu Pkw die Kunden die geschäftlichen Auswirkungen im Auge behalten müssten.

Nicht nur nachhaltig, sondern auch wettbewerbsfähig

Gesetzliche Bestimmungen können die Erfolgsaussichten von Geschäftsbetrieben beeinflussen, so Seidel weiter. Truck- und Bushersteller stünden gegenwärtig vor gewaltigen Veränderungen, egal ob in Hinsicht auf die Forderungen des europäischen Green Deal, die Digitalisierung oder die gesetzlichen Datenbestimmungen. Zu all dem komme, dass die Entscheidungsträger bei Erstellung ihrer Reglements nicht immer die Besonderheiten von Trucks und Bussen berücksichtigten. Doch Europa müsse nicht nur die „Nachhaltigkeit“, sondern auch die globale Wettbewerbsfähigkeit der Lkw- und Busindustrie sicherstellen. Hierzu brauche es eine gute, auf die Industrie abgestimmte Strategie sowie einheitliche Regelungen. Nicht viele Gesetze seien gefragt, sondern konsistente Rahmenbedingungen, die die Ausübung verschiedener Geschäftsmodelle erlaubten.

Die Hersteller fahren ohnehin mehrgleisig

Seidel betont, Nutzfahrzeughersteller würden das Ihre dazu beitragen, dass „batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge“ auf Europas Straßen etabliert werden:

„Wir haben uns darauf verpflichtet, alle neuen Trucks und Busse ab 2040 als fossil-freie zu verkaufen.“

Unternehmerische Basisrechnung

Dennoch gelte es zu beachten dass man in Geschäftsbeziehungen stehe und vom Kauf der neuen Fahrzeugmodelle durch die Kunden abhängig sei. Transportunternehmer zum Beispiel, die einen „Zero-Emission“-Truck anschaffen wollten, müssten vorher wissen ob sie damit Geld verdienen und ob man das Fahrzeug überhaupt laden oder tanken kann – und zwar überall wo man zu tun habe, also egal, ob Italien, Polen oder die Türkei das Ziel darstelle.

Nachfrage nach Null-Emissions-Fahrzeugen steigern

Für praktikable Geschäftsbedingungen reiche es nicht aus, einfach nur die Lieferseite zu regulieren, so Seidel weiter. Man müsse entsprechend auch die Nachfrage nach Null-Emissions-Fahrzeugen steigern, und hierzu müssten auch die passenden Rahmenbedingungen herrschen.

Der Truckspezialist nimmt auch Bezug auf die „Dekarbonisierungsziele“, die die EU Anfang des Jahres für ab 2030 neu in den EU-Markt eingeführte Lkw festgelegt hat. Auch der Brüsseler Acea-Verband hatte sich bei Bekanntwerden des Plans zu einer „vollständigen Unterstützung“ dieser Dekarbonisations-Agenda bekannt, allerdings den engen Zeitrahmen als schwierig umsetzbar bemängelt und realistischere Ziele gefordert.

Die EU, so Seidel also, habe den „äußerst ehrgeizigen“ CO2-Reduzierungs-Zielen für die weltweiten Lkw- und Bushersteller zugestimmt. Doch die verantwortlichen Entscheidungsträger müssten ihre ehrgeizigen Ziele mit gleichermaßen ambitionierten, jedoch den Fahrzeugherstellern angepassten Rahmenbedingungen stützen.

Passende Infrastruktur, genug grüner Strom für Lkw und Busse

Zur Umsetzung der Null-Emissions-Ziele brauche es also die passende Infrastruktur, schlussfolgert Seidel. Außerdem müsse auch feststehen, dass genug „grüne“ Energie aus erneuerbaren Quellen für das Laden der Schwerlaster und Busse zur Verfügung stehe. Mit erneuerbaren Energien ist vor allem aus Windkraft (Windparks) und Sonnenenergie (Photovoltaikanlagen), aber beispielsweise auch durch Wasserkraft und Biomasse gewonnener Strom gemeint. Ohne diese Voraussetzungen sei man schlicht nicht in der Lage zu „dekarbonisieren“.

Fazit: Mehr Fördergelder nötig

Und noch weitere Bedingungen knüpft der DAF Trucks-Manager an die Emissionsziele der EU: umsetzbare Geschäftsmodelle für Transportunternehmer und mehr finanzielle Vergünstigungen:

„Momentan sind die Gesamtbetriebskosten (TCO; Total Cost of Ownership) eines Null-Emissions-Lkw denen eines Diesel-Lkw in den meisten Fällen nicht ebenbürtig. Wenn wir die Spediteure wirklich von zero-emission überzeugen wollen, müssen wir das auch dadurch ändern dass wir ihnen durch Anschaffungs- und Steuerprogramme, Kohlenstoffbepreisungen und mehr einen entsprechenden Anreiz verschaffen.“

Es fehle also nicht an der Fahrzeugtechnologie beziehungsweise dem guten Willen der Fahrzeughersteller, argumentiert Seidel, sondern an den erforderlichen Grundbedingungen:

„Das müssen die europäischen Entscheidungsträger begreifen, wenn wir alle zusammen unsere in Hinsicht auf die Dekarbonisierung geteilten Ziele erreichen und zugleich lebensnotwendige Industrien wie unsere wachsen lassen wollen.“

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