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Neuordnung im Zuge der E-Mobilität: ZF streicht bis zu 14.000 Stellen

Zulieferkonzern ZF will auch aufgrund der schwachen Nachfrage im Bereich E-Fahrzeuge schlankere Strukturen schaffen. Die Aktivitäten werden auf wenige Bereiche konzentriert und gebündelt. Zudem sind in den kommenden Jahren unter anderem deutliche Personaleinsparungen in Deutschland geplant.

ZF plant umfassende Umstrukturierungen, um sich auf die geänderte Marktlage im Bereich E-Mobilität anzupassen. | Bild: ZF.
ZF plant umfassende Umstrukturierungen, um sich auf die geänderte Marktlage im Bereich E-Mobilität anzupassen. | Bild: ZF.
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Claudia Leistritz

Technologieexperte und Zulieferunternehmen ZF Friedrichshafen wird in den nächsten Jahren gravierende Umstrukturierungen vornehmen. Laut Pressemeldung zielen die Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem auf eine Straffung der Einrichtungen sowie Einsparungen ab, nachdem in den letzten Jahren durch mehrere Zukäufe die Standortstruktur stetig ausgebaut worden war. Die Neuausrichtung besonders spüren wird mangels Nachfrage nach E-Fahrzeugen die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien. Mehr automatisierte und digitalisierte Abläufe sollen das Unternehmen zusätzlich festigen. Die Anzahl der in Deutschland Beschäftigten soll in Folge der geplanten Korrekturen bis 2028 um etwa 11.000 bis 14.000 abgesenkt werden.

Die notwendigen Anpassungen für das Überleben des Friedrichshafener Unternehmens resultieren den Angaben zufolge aus der Transformation des Mobilitätssektors im Zusammenhang mit der Elektromobilität, wo hoher Wettbewerbs- und Kostendruck bei Pkw-Antrieben mit mangelnder Nachfrage nach E-Fahrzeugen korreliert. Um daher die Position im internationalen Marktumfeld halten zu können will das Unternehmen offenbar gemäß seiner strategischen Leitidee „Särken stärken“ seine Investitionen auf die vier erfolgversprechendsten der insgesamt sieben Sparten innerhalb des Konzerns zurückfahren. Das geht aus der Pressemeldung vom heutigen Tag hervor.

Vier bevorzugte Sparten von sieben

Am meisten Erfolg verspricht man sich nun von den Bereichen Nutzfahrzeugtechnik (Commercial Vehicle Solutions, CVS), die auf Pkw-Fahrwerke spezialisierte Division Chassis Solutions, die mit Aktivitäten „abseits der Straße“ befasste Industrietechnik mit unter anderem Antrieben für Landmaschinen, Schienenfahrzeuge und die Marine, sowie der Ersatzteilsparte (Aftermarket). Diese vier Bereiche will man in Deutschland jeweils in größeren Standortverbünden konzentrieren.

Laut ZF von der Neustrukturierung besonders betroffen ist von den übrigen drei Sparten diejenige, die sich speziell mit der Elektromobilität befasst: Elektrifizierte Antriebstechnologien. Die letzten beiden beschäftigen sich überwiegend mit dem Bereich Fahrerassistenzsysteme (Elektronik und ADAS) sowie Insassenschutzsysteme für die Automobilindustrie (Passive Sicherheitstechnik [ZF Lifetec]).

In Folge der genannten Umstrukturierungen rechnet der Konzern mit Personaleinsparungen in Höhe von etwa 11.000 bis 14.000 bis 2028.

Noch vor Kurzem hatte ZF auf seinem ZF Technology Day 2024 sein zukünftiges Konzept vorgestellt, dass vor allem auf Technologieoffenheit, Flexibilität in der Produktion und spartenübergreifendem Technologietransfer abstellt.

Standortkonsolidierung nötig

Doch die Entwicklungen im Mobilitätssektor erfordern nun offenbar auch durchgreifende Sparmaßnahmen, um das langfristige Überleben zu sichern. So sagt ZF-Vorstandsvorsitzender Dr. Holger Klein:

„Unsere unternehmerische Verantwortung ist, ZF zukunftsfähig auszurichten und die Standorte in Deutschland so weiterzuentwickeln, dass sie nachhaltig wettbewerbsfähig und solide aufgestellt sind.“

Dieses Ziel erfordere auch „schwierige, aber notwendige Entscheidungen“. Für alle Beteiligten wolle man hierbei die bestmögliche Lösung finden.

Den Angaben zufolge setzt die nun geplante Standortkonsolidierung die Ausrichtung des im Jahr 2020 geschlossenen Tarifvertrags Transformation fort: dieser hatte vorgesehen, die einzelnen Standorte mit den gefertigten Produkten zu analysieren und auf dieser Grundlage bestimmte Zielbilder zu formulieren, die zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität dienten. Teil davon ist eine „konsequent am zu erwartenden Bedarf“ ausgerichtete Personalplanung sowie eine Fokussierung auf genau die Produkte, die eine langfristige Absicherung der Standorte versprechen. Weiter heißt es:

„Sollte sich herausstellen, dass für einzelne Standorte keine langfristige Perspektive gefunden oder deren Wettbewerbsfähigkeit nicht dauerhaft verbessert werden kann, ist auch – darauf hat ZF wiederholt hingewiesen – eine Restrukturierung oder Schließung möglich.“

Standorte bündeln

Zur Absicherung der deutschen Stützpunkte werden diese nun in mehreren Standortverbünden zusammengefasst, um auf diese Weise die gesamte Organisation zu straffen und schlagkräftiger auszurichten. Prof. Dr. Peter Laier, im ZF-Vorstand unter anderem zuständig für das Ressort Produktion sagt:

„Ziel ist, ein leistungsfähiges Produktionsnetzwerk einerseits und eine effiziente Organisation der Forschungs- und Entwicklungsbereiche andererseits zu schaffen.“

In den vergangenen Jahren hatte ZF große Zukäufe gemacht und dadurch seine Standortstruktur in kleinteiliger Form stark ausgeweitet: so wurde im Jahr 2015 der US-amerikanische Automobilzulieferer TRW (Thompson Ramo Woolridge) übernommen, 2020 folgte der gleichfalls nordamerikanische Nfz-Spezialist Wabco. Die vielen weiträumig verteilten Niederlassungen sollen nun in mehreren Phasen gebündelt werden zu einer „zukunftsfähigen und schlankeren Standortverbundstruktur“.

Mehr Automatisierung und Digitalisierung

Parallel dazu sollen die Kapazitäten des Unternehmens der „weiterhin erwartbar schwächeren Marktnachfrage“ angepasst werden, wie es weiter heißt. Diese Maßnahme hat Personaleinsparungen in den Bereichen Produktion, Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung zur Folge, womit die aktuell rund 54.000 in Deutschland Beschäftigten bis zum Jahr 2028 sukzessive und abhängig von der weiteren Marktentwicklung und den jeweiligen Rahmenbedingungen am Standort um 11.000 bis 14.000 reduziert werden sollen. Durch Nutzung demografischer Strukturen und der Fluktuation versucht man einen sozialverträglichen Ablauf sicherzustellen, zum Beispiel mit umfangreichen Altersteilzeitangeboten oder möglicherweise auch Abfindungsprogrammen.

Eine weitere Absicherung des Unternehmens verspricht man sich offenbar auch vom Ausbau digitaler Funktionen sowie vom Einbezug automatisierter Abläufe. So heißt es weiter im Bericht: „ein noch höherer Automatisierungsgrad und die konsequente Nutzung der Digitalisierung sollen ebenfalls zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen.“

Schwerpunkt der Neustruktur: E-Mobilität

Die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien liegt den Angaben zufolge wegen des bei Pkw-Antrieben weltweit hohen Wettbewerbs- und Kostendrucks besonders im Fokus der Neuausrichtung, da unter diesen Umständen die Querfinanzierung der noch wenig im Markt vertretenen elektrischen Antriebe durch Antriebe für konventionelle und Hybridfahrzeuge erschwert werde. Einen weiteren zu berücksichtigenden Faktor stelle die Tatsache dar, dass laut ZF durch den Wandel zur Elektromobilität die Menge an Getrieben für konventionelle und Hybridfahrzeuge zurückgehen werde. Auch sei die Nachfrage nach rein elektrischen Fahrzeugen spürbar zurückgegangen: die mit hohen Kosten eingerichteten Produktionslinien für elektrische Antriebe fertigten also zuviel für das mangelnde Interesse.

Mehr Kooperationen und Flexibilität bei starkem Kern

Aus diesem Grund, heißt es, sollen alle Abläufe und Strukturen dieser Division Elektrifizierte Antriebstechnologien einer gründlichen Analyse unterzogen werden um zu sehen, wo Optimierungen möglich seien. Der Konzern will die hohen Investitionen nicht umsonst getätigt haben und an der Elektromobilität festhalten:

„Trotz der aktuellen Marktsituation ist klar: Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren“,

meint ZF-Vorstandsvorsitzender Klein. Allerdings erforderten der hohe Wettbewerbsdruck bei elektrifizierten Antriebstechnologien eine „Offenheit für Kooperationen und starke Partnerschaften“, weshalb man auch diese Optionen in den Blick nehmen wolle.

Die Lage sei ernst, so Klein, und erfordere verschiedene Herangehensweisen zur Anpassung an das Marktumfeld. Eine der Strategien jedenfalls bestehe in der Stärkung der altbewährten Unternehmenskompetenz.

„Auch deshalb arbeiten wir an einer agileren Aufstellung des Unternehmens, um besser auf die schnellen Marktveränderungen reagieren zu können“,

so Klein. Die angezielten Maßnahmen dienten letztlich dazu, die Position von ZF als eines der weltweit führenden Zulieferunternehmen beizubehalten.

ZF beschäftigt weltweit insgesamt rund 168.700 Mitarbeiter. Der Umsatz im Jahr 2023 belief sich auf 46,6 Milliarden Euro, davon entfallen 44 Prozent auf Europa, 28 Prozent auf Nordamerika und 24 Prozent auf die Region Asien-Pazifik, der Rest auf Südamerika (3 Prozent) sowie Afrika. Vom ZF-Portfolio sind 74 Prozent auf den Bereich Pkw und kleine Nutzfahrzeuge, 18 Prozent auf Nutzfahrzeuge über 6 Tonnen und acht Prozent auf den Bereich Bau- und Landmaschinen, Bautechnik, Marine und Windkraft konzentriert.

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