Im November 2023 kündigte die Bundesregierung an, den freien Verkauf von unter anderem fossilfreien Kraftstoffen wie das hydrierte Pflanzenöl HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) in Reinform an Tankstellen in Deutschland zu erlauben. Der aus biologischen Abfallstoffen produzierte Dieselersatz kann in der Regel umstandslos in verbrennerbetriebenen Fahrzeugen eingesetzt werden und zur deutlichen Senkung von CO2-Emissionen auch in der Transportbranche beitragen. Bisher war ein Bezug des Bio-Sprit in Deutschland allenfalls als geringe Beimischung möglich.
Weniger CO2, weniger Feinstaub, weniger Kohlenmonoxid, weniger Stickoxid
Ende März 2024 gab auch der Bundesrat den Weg frei für die in anderen EU-Ländern längst übliche Regelung, so dass ab April 2024 auch an deutschen Tankstellen der paraffinische Kraftstoff in Reinform (HVO100) getankt werden darf. In Reaktion bereits auf die im November 2023 erfolgte Ankündigung der Freigabe hat der französische Reifenhersteller Michelin seine innerdeutsche Transportlogistik umgeplant und setzt zur Reifenbelieferung seiner Zwischenlager in Süddeutschland nun auf das hydrierte Pflanzenöl in hundertprozentiger (HVO100) Konzentration. Laut eigenen Angaben lassen sich damit nicht nur jährlich über 1.000 Tonnen an CO2-Emissionen einsparen – auch weitere mit der Verbrennung nicht nur von Treibstoffen in Verbindung stehende schädliche Wirkungen lassen sich mit Nutzung der Dieselalternative eingrenzen: so um Beispiel der Ausstoß an Kohlenmonoxid und Stickoxid, aber auch die Feinstaubbelastung.
In den letzten Wochen und Monaten haben sich auch bereits andere Mobilitätsunternehmen zumindest in Teilen auf den aus Bioabfällen und –resten hergestellten Sprit eingestellt, beispielsweise Tankdienstleister, Anbieter von Zahlungslösungen, Fahrzeug- oder Motorenhersteller oder Transportbetriebe. Auch Verbände wie der ZDK (Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe), die sich schon öfters für eine technologieoffenere Gestaltung der Mobilität ausgesprochen haben, befürworten diese Entscheidung. Nun ist auch der nach Umsatz weltgrößte Reifenhersteller nachgezogen und plant, die Treibstoffalternative im eigenen Unternehmen weiter zu etablieren.
1.000 Tonnen CO2 weniger
Zunächst setzt der Reifenkonzern, der von seinen weltweit rund 130.000 Mitarbeitern in Deutschland derzeit noch rund 5.000 beschäftigt, die HVO100-betriebenen Lkw nun für den Reifentransport von einem seiner zwei deutschen Logistikzentren in die von dort zu versorgenden Lager ein. Die Transporte gehen somit vom Zentrallager im rheinland-pfälzischen Landau nordwestlich von Karlsruhe zu den süddeutschen Zwischenlagern, von denen eines beispielweise in Ulm betrieben wird. Auf diesem Weg legen die mit HVO100 bereits im Einsatz befindlichen Lkw der Spedition GR Logistik (Grieshaber) dann alleine im Auftrag von Michelin dieses Jahr voraussichtlich rund 1,6 Millionen Kilometer zurück. Das Unternehmen rechnet durch den Treibstoffwechsel mit einer Einsparung an CO2 in Höhe von 1.000 Tonnen, das wären um bis zu 90 Prozent weniger als bei einem Betrieb mit Diesel. Eine weitere positive Wirkung besteht darin, dass sich zugleich der Ausstoß an Feinstaub sowie schädlicher Gase wie Kohlenmonoxid und Stickoxiden verringert.
Sofort für 2024 bevorratet
Wolfgang Weynand, Logistikleiter für den DACH-Markt bei Michelin sagt, das Unternehmen wolle in Bezug auf Nachhaltigkeit in der Branche Vorreiter sein. Deshalb werde zusammen mit Partnern zu Gunsten des Klimaschutzes stetig nach Lösungen wie beispielsweise zur Senkung des Ressourcenverbrauchs gesucht. Als im letzten November bekannt wurde, dass die Bundesregierung den freien Verkauf von HVO100 an Tankstellen erlauben wolle, habe man daher schnell reagiert uns sich gleich die für 2024 benötigte Menge verschafft. Die Kraftstoffvariante will Michelin ab 2025 mit weiteren Vertragspartnern für Transporte in Nord- und Ostdeutschland einsetzen.
„Neben ökologischen Gesichtspunkten geht es für uns immer auch darum, wirtschaftliche und vor allem praktikable Ansätze für mehr Nachhaltigkeit zu identifizieren. Mit dem Umstieg auf HVO100 erzielen wir unmittelbar einen positiven Effekt auf unsere Klimabilanz“,
sagt Weynand. Dieser positive Effekt zeige sich darin, dass der Ausstoß an CO2 bei den Reifenlieferungen sofort spürbar sinke. Neben diesem klimabezogenen Aspekt diente als weiterer ausschlaggebender Faktor in der Entscheidung für den Biosprit dessen umstandslose Einsatzmöglichkeit für die beauftragten Unternehmen:
„Für uns war außerdem wichtig, dass unser Speditionspartner den neuen Kraftstoff einfach und ohne weiteren Aufwand nutzen kann.“
Das ist mit den bei der international tätigen Spedition GR Logistik (Grieshaber) für Michelin-Einsätze verwendeten Mercedes-Lkw der Fall: „Sie sind vom Hersteller für die Nutzung von HVO100 freigegeben, Anpassungen an den Dieselmotoren waren deshalb nicht notwendig.“
Recyclingfabriken und weitere Umweltschutz-Initiativen
Parallel zur Verwendung von HVO100 für einen Teil seiner Reifentransporte laufen bei Michelin weitere Initiativen entlang der Wertschöpfungskette, die eine nachhaltige Ausrichtung stützen sollen. So fahren in Schweden bereits Lkw mit Bio-Gas und HVO100 für das Unternehmen. Wie Michelin Ende Februar 2024 in einer Pressemeldung berichtete, plant man außerdem im schwedischen Uddevalla rund 50 Kilometer nördlich von Göteborg in einem Joint Venture mit dem deutschen Entsorgungsspezialisten Enviro und dem Investmentunternehmen Antin Infrastructure ein Reifen-Recyclingwerk. Dort will man ab der für 2025 geplanten Inbetriebnahme dann jedes Jahr mit Hilfe der von Enviro entwickelten Pyrolysetechnologie 35.000 Tonnen Altreifen recyceln.
Michelin als Anteilseigner von Enviro investiert schon seit 2020 in die Pyrolysetchnologie. Für die Methode zur Gewinnung wertvoller Rohstoffe wie Ruß und Öl aus dem Gummimaterial hat man nach Uddevalla bereits jetzt den Bau weiterer Anlagen in ganz Europa ins Auge gefasst, die dann insgesamt eine Million Tonnen an Altreifen jährlich verwerten sollen – also knapp ein Drittel der in Europa jährlich rund 3,5 Millionen Tonnen an aussortiertem Reifenmaterial.
Ziel der Bemühungen sei es, die selbstgesteckten Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen die darin bestehen, bis 2030 über die gesamte europäische Logistik hinweg die CO2-Emissionen um 15 Prozent zu senken, heißt es bei Michelin. Bis 2050 will der Reifenkonzern „komplett klimaneutral“ sein. Das bedeutet beispielsweise, dass alle Reifen dann zu 100 Prozent aus erneuerbaren oder recycelten Materialen bestehen sollen.
Michelin ist in 175 Ländern präsent und beschäftigt weltweit derzeit etwa 130.000 Mitarbeiter, in Deutschland alleine sind es rund 5.000. Insgesamt haben die weltweit 67 der Reifenherstellung dienenden Michelin-Werke im Jahr 2022 rund 200 Millionen Reifen produziert. Neben dem Zentrallager in Landau besteht ein zweites deutsches Logistikzentrum für Reifen im norddeutschen Bad Fallingbostel. Ende November 2023 gab der Konzern bekannt, unter anderem aufgrund steigender Produktionskosten die Werke in Karlsruhe und Trier sowie die Lkw-Neureifen- und Halbfabrikatfertigung in Homburg mit ihren insgesamt rund 1.532 Mitarbeitern bis Ende 2025 stillzulegen. Der Bereich Runderneuerung von Lkw-Reifen in Homburg werde beibehalten, ebenso das Pkw-Reifenwerk in Bad Kreuznach. Zudem will man andere Fabriken modernisieren.
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