Der Reifenwechsel bei einer Autopanne ist oft mit hohem Zeitaufwand und Kosten verbunden. Ein gänzlicher Austausch jedoch ist gar nicht immer notwendig. Darauf weist die Automobil-Prüfgesellschaft Dekra. Der Gummi ließe sich in vielen Fällen auch gut wieder instand setzen. Von Fachleuten ausgeführt, spare die Prozedur Zeit, Geld und nicht zuletzt wertvolles Material. Doch gebe es hierbei einiges zu beachten.
Die meisten Reifenschäden seien reparierbar, darin sind sich Autospezialisten einig. Und auch der Reifen-Sachverständige bei Dekra, Christian Koch versichert, grundsätzlich könnte an Reifen recht viel auch wieder in Schuss gebracht werden; vor allem, wenn der Schaden ohnehin nur gering ausfällt. Fachgerecht durchgeführt, ließe sich dieser dann oft noch lange Zeit weiterverwenden.
In diesem Zusammenhang räumt der Fachmann mit einem offenbar verbreiteten Irrtum auf:
„Es gibt den Mythos, man könne nur Reifen reparieren, die bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit zugelassen sind. Das stimmt definitiv nicht. Es kommt immer darauf an, wie groß der Schaden ist und in welchem Zustand sich der Reifen insgesamt befindet.“
Was spricht für, was gegen eine Reparatur
Wer sich bei einer Reifenpanne die Reparaturmöglichkeit erhalten will, hat im Fall des Falles auf einige Dinge zu achten. Sollte man zum Beispiel die Anwendung von Reifendichtmitteln ins Auge fassen empfiehlt es sich vorher schon zu wissen, ob man den Reifen reparieren lassen oder nach dem Einsatz austauschen will. So macht laut Koch das Einbringen von Pannenspray zur Abdichtung des Materials von innen her beispielsweise den Reifen untauglich zur Reparatur – hier bliebe dann generell nur der Austausch übrig. Auch Reifendichtmittel aus Pannenhilfesets oder andere Notfallabdichtungen machen den Reifen unbrauchbar für die Weiterverwendung, wie der ADAC betont: in diesem Fall sei eine professionelle Reparatur durch einen Fachbetrieb sogar überhaupt nicht erlaubt.
Ein reparierfähiger Reifen darf zum Beispiel auch nicht im drucklosen Zustand, also ohne oder mit wenig Luft gefahren worden sein, meint Koch. Besonders kritisch ist die Stelle, an dem die Lauffläche in die Seitenwand übergeht: gerade dieser Bereich müsse schadensfrei erhalten sein. Das Weiterfahren mit plattem Reifen auch nur über eine kurze Strecke mindere ebenfalls die Reparaturfähigkeit, da das Material hierbei zu großen Schaden nimmt.
Dann sind noch die konkreten Schäden zu nennen, die eine Weiterverwendung verunmöglichen. Laut ADAC sind zum Beispiel Verletzungen an der Innenseite des Reifens, eine Schraube oder ein anderer Gegenstand in der Seitenwand ein Ausschlussgrund für die Reparatur; des weiteren verhindern auch Risse oder Löcher in der Lauffläche in einer Größe von mehr als 5 mm in den meisten Fällen eine sinnvolle Abdichtungsprozedur.
Auch das Alter spielt eine Rolle: Der ADAC bringt als Bedingung für die Reparatureignung zum Beispiel auch eine ausreichende Restprofiltiefe in Anschlag, der Reifen darf also noch nicht allzu lange genutzt worden sein. Abgesehen davon steigt mit dem Alter auch die Sprödigkeit und Anfälligkeit für Materialschäden.
Für eine Ausbesserung spricht laut Autoclub auch eine frühzeitige Entdeckung des Reifenschadens, so dass der verminderte Reifendruck noch keine besonderen Schäden an der Reifenwand verursachen konnte.
Ein weiteres Hindernis in der Erhaltung eines reparierfähigen Zustands stellt jedoch das eigenmächtige Entfernen von Fremdkörpern aus dem Reifen dar weil, so Experte Koch, dadurch das Stück sofort an Luft und also Druck verliert. Nagel oder Schraube also besser stecken lassen, da sie wenigstens notdürftig die Öffnung abdichten, rät auch der ADAC. Außerdem werden so weitere Schäden am Gummi vermieden, die ein Herausziehen verursachen würde.
In diesem Zusammenhang rät der Autoclub zudem, bis zum Werkstatttermin einen möglichst korrekten Fülldruck zu erhalten, um „Plattrollschäden“ am Reifen zu vermeiden.
Generell weniger geeignet für eine Weiterverwendung auch nach fachgerecht ausgebessertem Schaden sind laut Autoclub ADAC jedoch Hochgeschwindigkeitsreifen aufgrund des damit verbundenen größeren Risikos. Das betrifft den Geschwindigkeitsindex V (bis 240 km/h), W (bis 270 km/h) sowie Y (bis 300 km/h). Medienberichten zufolge soll es auch Werkstattbetriebe geben, die Reifen schon mit geringerem Geschwindigkeitsindex wie beispielsweise H (bis 210 km/h) generell nicht ausbessern, da sie als Fachbetrieb für Folgeschäden der Reparatur haften müssen.
Besonderheit Vier-Rad-Antrieb
Der größte Autoclub Europas weist außerdem darauf hin, dass eine Reparatur sich auch besonders eigne wenn aus technischen Gründen der zweite Reifen der betroffenen Achse ebenso ersetzt werden müsste. Beispielsweise kann das bei Anwendung eines „indirekt“ messenden Reifendruckkontrollsystems (RDKS) der Fall sein. Dieses ermittelt über die Drehzahl des Rades indirekt den Reifendruck. Verfügen die Pneus verschleißbedingt über unterschiedliche Durchmesser, kann das System dann unter Umständen in seiner Leistung beeinträchtigt sein.
Besonders bei geländegängigen Fahrzeugen ist dann gegebenenfalls der ganze Reifensatz betroffen. So heißt es beim ADAC: „Bei vielen allradgetriebenen Fahrzeugen sehen die Hersteller vor, dass sich die Abrollumfänge der vier Einzelräder nur minimal unterscheiden. In diesen Fällen wäre möglicherweise sogar ein Ersatz aller Reifen erforderlich, selbst wenn lediglich ein Reifen beschädigt wurde.“
Bei Motorradreifen gelten übrigens andere Vorgaben: laut den Reifenexperten dürfen diese beispielsweise grundsätzlich nur an der Lauffläche ausgebessert werden.
Beurteilen kann nur der Fachmann
Schwieriger als die Reparatur selbst, so Koch, sei die fachgerechte Beurteilung des Reifenzustands und die Entscheidung über dessen Reparaturfähigkeit. „Das ist eine komplexe Fragestellung, die in die Hand eines Reifenfachbetriebes mit ausgebildetem und erfahrenem Personal gehört“, betont der Profi. Schließlich ist die Aufgabe mit hoher Verantwortung verbunden: der Fachbetrieb haftet für einen verkehrssicheren und dem Original vergleichbaren Zustand.
Von der Felge abnehmen
Dabei erfordert alleine schon die Beurteilungsprozedur, dass der Reifen von der Felge montiert wird. In Deutschland ist diese Vorgehensweise laut Dekra sogar gesetzlich festgeschrieben. Denn nur so kann der Fachmann auch den inneren Zustand prüfen und erkennen, ob die Seitenwand tatsächlich keinen Schaden aufweist und wenn schon, wie groß dann beispielsweise der Durchstich ausfällt. „Bei einer Reifenreparatur von außen fehlt diese Sicherheit“, so Koch. Damit steige dann auch das Risiko für einen Reifenausfall, der vor allem bei höheren Fahrgeschwindigkeiten besonders drastische Folgen haben kann.
Dagegen schreibt der ADAC zu dem Thema, dass eine Demontage bei nur äußerlichen Schäden auch entfallen könne.
Nur den Fachmann an den Reifen lassen
Abgesehen davon ist die eigentliche Reifenreparatur heutzutage laut Dekra zwar kein Kunststück mehr. Allerdings würde die Maßnahme Verbrauchern gegenüber oft auch als allzu simpel dargestellt, so als könne praktisch jeder mit etwas Geschick den Gummi auch selbst wieder fahrfähig machen. Laien jedoch sollten tunlichst davon absehen, meint Koch. Und neben einer geeigneten Ausbildung mit entsprechendem Fachwissen und Erfahrung brauche man schließlich auch das zur Demontage der Reifen vom Felgen erforderliche Equipment.
Werkstattbesuch erforderlich
Nicht nur unmittelbar nach einem Pannenfall sollte das Auto möglichst sofort in die Werkstatt. Auch wer mit seinem Fahrzeug liegenbleibt und zur Weiterfahrt ein Pannenspray verwendet oder „zum Abdichten gummierte Schnüre von außen einbringt“, sollte anschließend so schnell wie möglich einen Fachbetrieb aufsuchen, da solche Lösungen nur für kurze Strecken taugten: „Es handelt sich nicht um eine Reparatur, sondern lediglich um eine temporäre Wiederherstellung der Gebrauchseigenschaften“, stellt Koch klar.
Dauer und Kosten
Der ADAC gibt die Reparaturdauer, in der Regel durch Warm- oder Heißvulkanisation, mit etwa zwei Stunden an. An Kosten fielen für die Instandsetzung eines einfachen Nagelloches durch Kaltvulkanisation beispielsweise (Stand Januar 2023) ungefähr 20 bis 25 Euro an, durch Warm- oder Heißvulkanisation rund 40 Euro.
Zur Vorbeugung gegen weitere Reifenschäden bei einer Panne empfiehlt Dekra, als flexible Lösung stets ein komplettes Ersatz- oder Notrad im Auto zu haben, um die Reparaturchancen des geschädigten Reifens zu steigern.
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