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Kohlenstoffneutralität erreichen: Hankook entwickelt nachhaltige Reifen

In Folge eines Gemeinschaftsprojekts zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft will der südkoreanische Reifenhersteller künftig Serien-Modelle mit Altreifen-Anteil herstellen.

Der Techno-Dome ist das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Hankook in Korea, das sich speziell mit ökologisch ausgerichteten Verfahrens- und Produktionsweisen im Zusammenhang mit der Reifenherstellung befasst. | Bild: Hankook.
Der Techno-Dome ist das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Hankook in Korea, das sich speziell mit ökologisch ausgerichteten Verfahrens- und Produktionsweisen im Zusammenhang mit der Reifenherstellung befasst. | Bild: Hankook.
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Claudia Leistritz

Carbon-Black heißt der aus dem Altreifen-Recycling hervorgegangene und nun bei Hankook für die Serienproduktion neuer Reifen vorgesehene Stoff, mit dem das ostasiatische Reifenunternehmen schrittweise durch Erhöhung des Anteils an wiederverwertetem Material seinen CO2-Abdruck optimieren will. Aus verschlissenem, unter hohen Temperaturen verflüssigtem Reifenmaterial gewinnt man unter anderem „Pyrolyseöl“, das als Grundlage der für die Reifenherstellung benötigten und in dieser Form somit als nachhaltiger eingestuften Rußmaterialien dient. Das ISCC Plus-zertifizierte (International Sustainability & Carbon Certification), in drei Varianten entwickelte Carbon-Black ging aus einem Projekt des Tire-to-Tire Circular Economy Model-Consortium hervor, einem Zusammenschluss von Hankook mit zwölf weiteren südkoreanischen Unternehmen.

Altreifen sinnvoll weiternutzen

In der Regel landen Altreifen bisher auf Deponien oder werden verbrannt, weil sich aus dem komplexen Material nur äußerst schwer auf mechanische oder auch chemische Weise brauchbare Stoffe herauslösen lassen. Organisationen wie Zare drängen schon länger auf eine fachgerechte Entsorgung des für die Natur problematischen Altgummis, der jedes Jahr in großen Mengen anfällt und nicht selten auf illegalen Ablagestellen landet. Vermehrt wird in letzter Zeit nach Lösungen gesucht, das Material sinnvoll weiterzuverwenden anstatt ungenutzt und umweltschadend verrotten zu lassen. Der erste Schritt besteht oft darin, die Reifen entweder in weniger sicherheitsrelevanten Fahrzeugen so lange wie möglich weiterzunutzen oder beispielsweise als Bodenbelag einem zweiten Leben zuzuführen.

Verschiedene Methoden

Auch Reifenhersteller fühlen sich zunehmend aufgerufen, besondere Recyclingmethoden zu entwickeln oder ihre Runderneuerungsmethoden auszureizen, um auch das allgemeine Abfallaufkommen zu reduzieren, wie beispielsweise Continental. Weitere Ideen, die sich vor allem mit dem chemischen Herauslösen wertvoller Rohstoffe aus Altreifen befassen, steuern mittlerweile auch Mineralölunternehmen bei. So berichtete der finnische Treibstoff-Hersteller Neste vor rund einem halben Jahr erstmals von einer erfolgreichen Anwendung, bei der aus unter großer Hitzeeinwirkung (Pyrolyse) verflüssigten Altreifen Substanzen wie Ruß (bezeichnet als Carbon Black) und Öl für die Weiterverwendung gewonnen wurden.

Und mit dem südkoreanischen Unternehmen Hankook nutzt nun auch einer der zehn größten Reifenhersteller der Welt dieses Verfahren, um seinen CO2-Emissions-Fußabdruck zu verbessern. Laut Pressemeldung soll die in drei Mischungsverhältnissen verfügbare, rußhaltige Substanz Carbon Black, Ergebnis eines ostasiatischen Gemeinschaftsprojekts, künftig den Serienreifenmodellen beigegeben werden. Im Bericht heißt es:

„Diese kommerzielle Verwendung ist der erste große Meilenstein seit der Gründung des Konsortiums im November 2023."

Kohlenstoffneutralität

Die als dauerhafte Einrichtung von Hankook initiierte Arbeitsgemeinschaft dient den Angaben zufolge speziell der Erforschung und Entwicklung als nachhaltig eingestufter, zugleich aber auch für die Serienfertigung geeigneter Materialien, um dann ein Kreislaufwirtschaftsmodell „für die Herstellung neuer Reifen aus Altreifen in Südkorea“ herauszuarbeiten. Letztendlich wurde das Projekt offenbar nicht nur zum Zwecke des Umweltschutzes durch Recycling, sondern vor allem auch mit dem Bestreben ins Leben gerufen, den Forderungen der internationalen Klimapolitik nachzukommen und die CO2-Emissionen zu senken. So heißt es weiter:

„Gemeinsam mit zwölf weiteren koreanischen Unternehmen und Institutionen strebt Hankook danach, die globale Forderung nach Kohlenstoffneutralität und der Verwendung nachhaltiger Materialien zu erfüllen.“

Drei Arten Carbon-Black

Hankook entwickelte zusammen mit den zwei Konsortialpartnern HD Hyundai Oilbank, gleichfalls Erdölunternehmen, sowie dem auf Rußsubstanzen spezialisierten HD Hyundai OCI drei Arten von „zertifiziertem Carbon-Black“, die nun erstmalig in der Großserienproduktion von Reifen eingesetzt werden sollen. ISCC Plus-zertifiziert ist die Ruß-Art deswegen, weil hierbei raffiniertes, aus der Pyrolyse von Altreifen gewonnenes Öl zum Einsatz kam. Bei ISCC Plus (siehe unten) handelt es sich um ein „freiwilliges Zertifizierungssystem“, das die Nachhaltigkeit von Materialien und die Kreislauffähigkeit von Produkten von Unternehmen außerhalb der EU und Englands bewertet.

Erdölverbrauch mindern

Hankook will nach eigenen Angaben durch den Ersatz petrochemischer Rohstoffe durch wiederverwertete Materialien eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für die Reifenindustrie etablieren. Als Vorteile dieser Recyclingmethode wird neben der Schonung von natürlichen Rohstoffen und der Senkung von Kohlenstoffemissionen auch die Unabhängigkeit von Erdölressourcen herausgestellt.

Das nun entwickelte Carbon-Black soll noch dieses Jahr zur Produktion von Hankook-Reifen eingesetzt werden, „um die globalen Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen“, wie der Anbieter versichert. Außerdem soll die weitere enge Zusammenarbeit mit den anderen Partnern des Zusammenschlusses schließlich zur Entwicklung einer zu 100 Prozent aus Pyrolyseöl bestehenden Sorte Carbon-Black führen. Doch die Ambitionen gehen noch weiter: so will man mit Hilfe des Konsortiums die Entwicklung von Kreislaufmaterialien forcieren, um bis 2050 „zu 100 Prozent nachhaltige Materialien“ bei der Produktion einsetzen zu können.

Null Emissionen bis 2050

Im Rahmen seines Engagements für mehr Nachhaltigkeit erhielt das Unternehmen, das weltweit rund 20.000 Mitarbeiter beschäftigt und acht Fabriken sowie fünf Forschungs- und Entwicklungszentren betreibt, bereits mehrere Würdigungen. So konnte man im Jahr 2021 das Hankook-Werk im südkoreanischen Geumsan als erstes in der Reifenindustrie überhaupt mit dem Bewertungssystem ISCC Plus zertifizieren. 2023 folgte das Werk in Ungarn, womit zugleich der Grundstein für die Verwendung nachhaltiger Materialien in der Serienfertigung gelegt wurde.

Für seine weiteren Ambitionen in Richtung klimapolitischer Ziele erhielt der Reifenexperte dann im August 2023 als erstes Unternehmen der koreanischen Reifenindustrie für seine „mittel- bis langfristigen Maßnahmen rund um die Reduktion von Treibhausgasen und das Ziel ‚Net Zero by 2050‘“ eine Auszeichnung durch die Science Based Targets Initiative (SBTi). Und 2024 folgte die Auszeichnung mit der Three Star Environmental Accreditation „Best Practice“, der höchsten vom internationalen Dachverband der Automobilclubs FIA (Federation Internationale de l’Automobile) vergebenen „Nachhaltigkeitszertifizierungsstufe“.

ISCC

Begonnen 2006 als internationale Dialoggemeinschaft aus über 250 Interessenvertretern zum Zweck der Zertifikation von Biokraftstoffen, wurde die Organisation ISCC (International Sustainability & Carbon Certification), die heute in Köln ihren Sitz hat, 2010 schließlich in Berlin ins Leben gerufen. Neben Essens- und Futterprodukten werden auch chemische Substanzen, Verpackungsmaterial, Plastik oder Textilien untersucht. ISCC fächert sich in eine Vielzahl unterschiedlicher Zertifikationssysteme auf.

Für Europa und England zum Beispiel wurde das System ISCC EU eingerichtet, das eine Bewertung der nachhaltigen Kriterien für Biokraftstoffe und –flüssigkeiten nach den jeweiligen Regeln in Bezug auf erneuerbare Energien anstrebt und nach eigenen Angaben seit 2011 die vollumfängliche Anerkennung der Europäischen Kommission genießt. Auf globaler Ebene bedient man sich des weniger strengen, „freiwilligen“ und spezifischen Märkten anpassbaren Systems ISCC Plus. Auf der Website heißt es hierzu: „Alle Arten von Biomasse, Abfall, nicht-biologischen Rohstoffen und recycelten Kohlenstoffmaterialien können unter ISCC Plus zertifiziert werden“, wobei sich alle Länder außerhalb der EU und des Vereinigten Königreichs (UK) auf dieses System berufen können.

SBTi

Die Science-based Targets Initiative (etwa: Initiative für wissenschaftsbasierte Vorgaben) dient der Reduzierung von Emissionen gemäß den Forderungen der Pariser Klimaziele. Eigenen Angaben zufolge unterstützt die Organisation rund 6.000 Unternehmen weltweit in der Ausrichtung ihrer Abläufe an „klar definierten Wegen zur Reduzierung von Treibhausgasen“ mit dem letztendlichen Zweck, die weltweite Erwärmung der erdnahen Atmosphäre auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Level zu begrenzen und die Wirtschaft in ihrem Übergang zu netto-null-Emissionen mit entsprechenden Bewertungen zu unterstützen.

Als wissenschaftsbasiert gelten die Ziele, wenn sie den letzten von der Klimawissenschaft aufgestellten Erfordernissen nach dem Pariser Abkommen und somit der Limitierung der globalen Erwärmung auf die genannten 1,5 Grad Celsius dienen. Spätestens bis 2050 will die gegen den Klimawandel ankämpfende Vereinigung, die in London als gemeinnützige Stiftung eingerichtet wurde und von mehreren Partnerorganisationen wie dem Zusammenschluss aus weltweiten Unternehmen und der UNO namens „Pakt der Vereinten Nationen“ (United Nations global Compact) oder dem World Wide Fund for Nature (WWF) unterstützt wird, eigenen Angaben zufolge „net-zero“ erreicht haben.

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