Jährlich werden rund sechs Millionen Fahrzeuge in Europa ausgemustert, die immer noch eine Menge Kunst- und Rohstoffe zur Weiternutzung enthalten. Damit Wertverlust und Umweltbelastung beim Aussortieren der Materialien möglichst gering ausfallen, hat das Europäische Parlament im Jahr 2000 als Grundlage für die Entsorgung von Fahrzeugen in Europa die Altfahrzeug-Richtlinie 2000/53/EG in Kraft gesetzt. Darin sind Zielvorgaben für die Verwertung von ausgedienten Pkw, leichten Nutzfahrzeugen sowie bestimmten dreirädrigen Kraftfahrzeugen festgelegt. Diese Regelungen wurden nun überarbeitet, wie das an der Ausarbeitung beteiligte schweizer Materialforschungsinstitut Empa berichtet.
Geschuldet ist die Neuordnung vor allem auch der neuen Mobilität, die mehr (Edel-) Metalle und Seltene Erden enthält. Die wertvollen Materialien solcher Fahrzeuge gehen jedoch vielfach beim „Schreddern“ verloren, so der Bericht, da noch keine Vorgaben zum Umgang mit kaputten Elektrofahrzeugen existieren. Das Institut sieht sich in Europa als Pionier in der Forschung nach Möglichkeiten, die Stoffe nach wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien wieder nutzbar zu machen. Die auf Grundlage der Forschungsergebnisse erstellten neuen EU-Vorschläge zielen nun darauf ab, den Materialverlust einzugrenzen beziehungsweise die Menge an wiederverwertbaren Bauteilen zu erhöhen.
Der Kreislaufwirtschaft zuführen
Vermehrt legt man Wert auf eine Kreislaufwirtschaft die vorsieht, auch altgediente Materialien so lange wie möglich einer Nutzung zuzuführen, beispielsweise durch Aufarbeitung, Reparatur oder Recycling. Nach diesen Gesichtspunkten hat Brüssel nun die EU-Rechtsvorschriften überprüft und im Bereich Altfahrzeuge gewisse Mängel festgestellt. Gemäß dem Ziel, den Automobilsektor in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen, dadurch die „mit Herstellung und Entsorgung von Fahrzeugen verbundenen Umweltauswirkungen“ zu verringern und am Ende die „Nachhaltigkeit der Automobil- und Recyclingindustrie“ zu steigern, müsse man diese nachjustieren, heißt es.
Zukünftig enormer Kupferbedarf
Auslöser der Verbesserungsvorschläge war offensichtlich auch die mit der neuen Mobilität wie Elektrofahrzeugen einhergehenden, im Vergleich zum Verbrenner unterschiedlichen Bedarfe an gewissen Rohstoffen. So benötigen Hybrid- oder Elektrofahrzeuge beispielsweise deutlich mehr Edelmetalle für ihren Betrieb. Besonders sichtbar wird der Mehrbedarf jedoch in Bezug auf Kupfer. Als sehr gut elektrisch leitfähiges Metall dient der Stoff als Grundlage für sämtliche elektrische und elektronische und somit Zukunfts-Technologien. Und wo ein herkömmliches Fahrzeug rund 25 Kilogramm des Rohstoffs benötigt, bringen es Hybride auf etwa 40 Kilogramm, reine E-Autos jedoch bereits auf rund 90 Kilogramm. Da künftig immer mehr E-Fahrzeuge gebaut werden sollen besteht also großes Interesse daran, den Verlust des bei der Verschrottung der Fahrzeuge in besonders großen Mengen anfallenden Materials, das zukünftig auch vermehrt aus Edelmetallen bestehen wird, einzugrenzen.
Über die Größenordnung der gegenwärtig benötigten Materialmengen weiterer Stoffe im Bereich Pkw bis leichte Nutzfahrzeuge berichtet die der renommierten ETH Zürich angegliederte Forschungseinrichtung: so würden „Neufahrzeuge“ in der EU insgesamt rund zehn Prozent des Kunststoffbedarfs und neun Prozent des Kupferbedarfs für sich beanspruchen, sowie in geringerem Maß noch 60 weitere Rohstoffe, so das Empa. Besondere Herausforderungen jedoch berge die „Umstellung auf Elektroautos“ durch ihren großen Bedarf an beispielsweise Palladium und weiteren Edelmetallen und Rohstoffen für ihre „eingebettete Elektronik“.
Bis zu zehn Mal mehr Seltene Erden
Außerdem sei diese Technologie neben unter anderem Kupfer auch auf Seltene Erden angewiesen, die in den Permanentmagneten der meisten Elektromotoren zum Einsatz kommen. Mit den Elektroautos werde man diese Stoffe zukünftig vermehrt benötigen. Die Materialforscher spezifizieren:
„Nach Schätzungen der EU wird die Nachfrage nach den Seltenerdelementen Neodym und Dysprosium in Neuwagen auf etwa 4.025 Tonnen beziehungsweise 620 Tonnen ansteigen, ein Anstieg um das Zehn- beziehungsweise Siebenfache gegenüber 2020.“
Rückgewinnung aus Altfahrzeugen steigern
Und obwohl die Menge an Altmaterial ansteigt, so das Empa, würden gegenwärtig weniger als 20 Prozent der „aus Altfahrzeugen gewonnenen Kunststofffraktionen recycelt“. Und „kritische Rohstoffe“ wie Seltene Erden in Elektromotoren oder Palladium in der eingebetteten Elektronik würden meistens überhaupt nicht zurückgewonnen. Nun bestünde also die Herausforderung darin, den Erhalt dieser und weiterer Materialien zu steigern, „bevor die Altfahrzeuge geschreddert werden, wie es derzeit gängige Praxis ist“.
„Schweizer Ansatz“
Nun forscht die Abteilung Technologie und Gesellschaft des St. Gallener Standorts von Empa schon seit einigen Jahren, zusammen mit dem schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU), an einer Lösung, das Auto- und Elektronik-Recycling zu verbessern. Hier laufen unter der Leitung von Dr. Patrick Wäger, Head of Technology and Society Laboratory bei Empa St. Gallen, verschiedene „Science-for-Policy“-Projekte. Diese untersuchen zum Beispiel, wie eingebettete elektronische Geräte aus Altfahrzeugen entfernt und einzeln recycelt werden können und bewerten diese in technischer, ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht.
Wirtschaftlich tragbar und ökologisch sinnvoll
So dienten diese und schon in früheren Studien erworbene Kenntnisse zur Grundlage in der revidierten schweizerischen Verordnung über Rückgabe, Rücknahme und Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG) um festzulegen, wie mit diesen Komponenten umzugehen sei. Demzufolge sollen zum Beispiel elektronische Geräte in Altfahrzeugen einzeln entnommen und wiederverwertet werden, wenn dieses Vorgehen als „wirtschaftlich tragbar und ökologisch sinnvoll“ eingestuft werde.
Derzeit sind die Vorgaben zum Umgang mit den Bauteilen noch in der Ausarbeitung. Die Schweiz gehört zwar nicht zu den EU-Mitgliedsstaaten, drückt jedoch laut Empa durch diese Forschung der „Anpassung der Gesetzgebung zur Förderung des Recyclings von elektronischen Geräten“ ihren Stempel auf, denn sie wurde – neben anderen – wegen ihrer Expertise von der Europäischen Kommission für das Forschungsprojekt ausgewählt.
Forschungsprojekt dreier Länder
So hat das „Joint Research Center“ (JRC) der Europäischen Kommission die schweizer Empa-Forscher zur Zusammenarbeit mit dem deutschen Öko-Institut e.V. und der schwedischen Privatuniversität „Chalmers University of Technology“ gebeten. Gemeinsam sollten sie bestimmte Maßnahmen dahingehend prüfen, wie die „Kreislauffähigkeit kritischer Rohstoffe und anderer Materialien in Personenwagen“ optimiert werden könnte. Als Ergebnis wurde nun im Juni ein Bericht veröffentlicht, der jede der vorgeschlagenen Vorgehensweisen in wirtschaftlicher und umweltbezogener Hinsicht bewertet und zusätzlich eine Reihe von Empfehlungen abgibt.
Recycling schon bei der Herstellung ins Auge fassen
Auf Grundlage dieser Resultate folgte am 13. Juli 2023 seitens der Europäischen Kommission ein Vorschlag für eine neue Altfahrzeugrichtlinie. Dieser enthält laut Bericht Bestimmungen, die darauf abzielen, das Recycling und die Wiederverwertung von Bauteilen, „die kritische Rohstoffe wie Seltenerdelemente, Kupfer oder Palladium“ enthalten, in Neufahrzeugen zu erhöhen; und dabei, so der Bericht, sollte nicht nur erst in der „End-of-Life“-Phase, sondern schon bei Konstruktion und Herstellung der Produkte die schließliche Wiederverwertung berücksichtigt werden.
Auch andere Initiativen haben sich mit der Optimierung des Altteil-Recyclings von Fahrzeugen befasst. So sieht beispielsweise, wie bereits Anfang dieses Jahres berichtet, das Joint-Venture aus Unternehmen der Automobilbranche Encory, das die Wiederaufbereitungslogistik von Altteilen in Europa optimieren will, ganz ähnlich die Notwendigkeit, die Wiederaufbereitung schon bei der Produktion der Fahrzeuge zu bedenken und in die Entwicklung einfließen zu lassen.
Kennzeichnungspflicht für Inhaltsstoffe
Gemäß den EU-Bestimmungen sollte laut Empa nun, um ein umweltgerechtes und wirtschaftliches Recyceln der Fahrzeuge zu unterstützen, bei der Herstellung von E-Fahrzeugen auf folgende Gesichtspunkte geachtet werden:
- Die E-Fahrzeuge sollten bereits so konstruiert sein, dass der Elektromotor für die Reparatur und Wiederverwendung ausgebaut werden kann
- Wird das E-Fahrzeug schließlich verschrottet, sollte der Elektromotor zuvor ausgebaut werden
- Die Hersteller sollen dazu verpflichtet sein, die Verwerter über die in den Fahrzeugen verwendeten kritischen Rohstoffe zu informieren und die Bauteile mit diesen Materialien entsprechend zu kennzeichnen
- Auch bestimmte elektronische Komponenten wie Infotainmentsysteme und Wechselrichter sollten vor dem Schreddern eines Fahrzeuges entfernt werden, „entsprechend dem in der revidierten Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte festgelegten Grundsatz“.
Weniger Abfallmenge, weniger CO2-Emissionen
Empa-Forscher Charles Marmy, der die JRC-Studie mitverfasste und Projekte zum getrennten Recycling von eingebetteter Elektronik geleitet hat, sieht einen „zweifachen Vorteil“ für die Umwelt, wenn diese eingebettete Elektronik aus den Altfahrzeugen ausgebaut und in Elektroschrott-Recyclinganlagen wiederverwertet würde: damit erhalte man nicht nur Metalle und Kunststoffe zur Weiternutzung, sondern verringere zugleich auch die der Verbrennung zugeführten Abfallmengen. Am Ende würden somit auch die CO2-Emissionen niedriger ausfallen. Der EU-Bericht geht von einer jährlichen Verringerung an CO2-Emissionen in Höhe von 12,3 Millionen Tonnen bis 2035 aus und verspricht sich bei Umsetzung der Vorschläge langfristig Energieeinsparungen, die "die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen verringern und nachhaltige und kreislauforientierte Geschäftsmodelle fördern" würden.
Zugleich will die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen aber unter anderem auch der EU-Wirtschaft, unter Einhaltung der gewünschten Klimaziele, im herausfordernden Umfeld der neuen Mobilität förderliche Rahmenbedingungen bieten. Denn Brüssel prognostiziert, dass die europäische Automobilindustrie "zum größten Verbraucher kritischer Rohstoffe" geraten werde, die eben für die Elektromotoren benötigt werden. Wörtlich heißt es in dem EU-Dokument:
"Diese Initiative wird den Zugang zu Ressourcen für die Wirtschaft der EU verbessern, den Umwelt- und Klimazielen der EU zuträglich sein und gleichzeitig den Binnenmarkt stärken sowie zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen, die mit dem Wandel der Automobilindustrie verbunden sind."
Mit dem Projekt sind auch weitere Maßnahmen verbunden. So wolle man beispielsweise die "Ausfuhr nicht verkehrstauglicher Fahrzeuge" aus Drittländern verhindern, um deren Straßenverkehrssicherheit zu verbessern sowie Umwelt - und Gesundheitsrisiken in Ländern zu verringern, "die Gebrauchtfahrzeuge aus der EU einführen".
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