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Fahrbericht Elektro-Van LEVC VN5

Komfortabel, wendig und gut beladbar zeigt sich der neue LEVC VN5. Bei der ersten Proberunde erweist sich der Van mit E-Antrieb und Benziner als Range Extender elektrisch so standhaft, dass viele Lieferfahrer Tagestouren emissionsfrei absolvieren dürften.

Flott in the City: Der LEVC VN5 übernimmt die sogenannte eCity-Technologie vom London Cab TX und fährt damit meist elektrisch. Der Benziner schaltet sich nötigenfalls lautlos zu. | Foto: LEVC
Flott in the City: Der LEVC VN5 übernimmt die sogenannte eCity-Technologie vom London Cab TX und fährt damit meist elektrisch. Der Benziner schaltet sich nötigenfalls lautlos zu. | Foto: LEVC
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Claudia Leistritz
(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Nein, das ist KEIN Hybrid! LEVC-CEO Jörg Hofmann ist es ganz wichtig zu betonen, dass der Nutzfahrzeugableger des legendären, neuaufgelegten London-Cab TX, der VN5, eigentlich als Elektro-Fahrzeug konzipiert ist. Formal handelt es sich um einen REEV: Range Extended Electric Vehicle. Allerdings hält Hofmann die Zeit noch nicht ganz reif in Sachen Ladeinfrastruktur und Akkuperformance. Sodass man die Kunden dort abholen will, was sie vor dem Schritt in die E-Mobilität am meisten plagt: Reichweitenangst. Die muss man beim VN5 nicht haben, schließlich sorgt im Notfall ein 1,5-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner für mehr Radius, bis zu 513 Kilometer im Stadtbetrieb, 489 Kilometer im Mix. Der VN5 wagt also den Spagat zwischen alter Verbrenner-Welt und neuer Elektro-Welt.

Die Reichweitenverlängerung über den mit 67 kW moderat kräftigen Benziner geschieht fast unhörbar leise und damit ganz anders als beim bisher einzigen Wettbewerber im Feld, dem Ford Transit Custom PHEV, dessen Dreizylinder nach 40 Kilometer elektrischer Fahrt laut zu lärmen anfängt wie ein wild gewordener Rasemäher. Schon mal ein Punkt für die neuen Briten, die nicht in London, sondern in Coventry ansässig sind, zum chinesischen Geely-Portfolio um Volvo, Polestar, Lynk & Co gehören und davon mächtig profitieren.

Teile-Tausch: Baukasten der Schwester Volvo

Vom Benzin-Motor angefangen, über die Bedienhebel für Gangwahl, Startknopf, Infotainment, überall finden sich im großzügig geschnittenen, aber leider nicht durchstiegstauglichen Interieur des VN5 Spurenelemente aus dem Baukasten der Schweden. Wie auch bei der Elektrotechnik unter dem Blech: Der formal "nur" 110 kW und 250 Nm starke E-Antrieb wurde von den Plug-in-Hybriden adaptiert und verfügt über jederzeit ausreichend Leistung um den stattlichen 2,8-Tonner vehement nach vorn schnellen zu lassen.

Bei Ampelstarts jedenfalls ist man schnell aus den Startblöcken, wer's zu wild treibt, den fängt das ESP wieder ein, respektive die zumindest ohne Beladung "scharrenden Hufe", wohlgemerkt an der Hinterachse, denn hier sitzt der E-Antrieb. Man springt spontan und zackig in Lücken und ist flugs auf die Stadtautobahn eingefädelt, begleitet von elektrischem Sirrsound, den andere Hersteller zwar leiser hinbekommen, der aber im Vergleich zu einem Selbstzünder äußerst diskret ist. Die Performance passt also schon mal.

Standfester E-Antrieb mit guter Reichweite

Und auch die Effizienz: Während man aufgrund der Erfahrungen mit Ford, Volvo & Co wie auch mit diversen Plug-in-Hybrid-Pkw skeptisch an die Sache heranging, erwies sich der E-Antrieb im VN5 als äußerst energiesparend und somit reichweitenfest. Eine 50-Kilometer-Tour Stadt, Überland, Autobahn, bis auf ein winziges Teilstück im "Save"-Modus (Verbrenner lädt Akku) rein elektrisch absolviert, beließ noch 30 Kilometer EV-Reichweite in den Brutto 31 kWh großen Lithium-Ionen-Speichern. Und mit 61 Kilometer Reichweite waren wir gestartet ... Offenbar trägt auch die in über den kleinen Schaltknauf in zwei Stufen modulierbare Rekuperation ihren Teil dazu bei. Damit jedenfalls fährt der VN5 fast ohne die Betriebsbremse bemühen zu müssen, die nötigenfalls etwas abrupt aber stramm zupackt.

Der Benzinverbrauch machte 1,0 l/100 km aus, einen halben Liter hatten wir rein testweise "verblasen" (sorry!). Das kann sich also sehen lassen und der WLTP-Spitzenwert von 122 Kilometern im Stadtbetrieb erscheint nicht aus der Luft gegriffen, sondern durchaus machbar. Im WLTP-Mix soll der Van mit 0,9 l/100 km sowie 11,9 kWh/100 km auskommen.

Gretechenfrage: Wozu noch einen Verbrenner?

In der Lieferpraxis dürfte der VN5 also ähnliche elektrische Reichweiten erzielen wie der vom Format und Tonnage ähnliche, rein elektrisch angetriebene eVito von Mercedes-Benz mit einem Brutto 41 kWh großen Akku (35 kWh nutzbar), der in unserem Test über 30 kWh/100 km an Energie verbrauchte. Womit sich natürlich die Gretchenfrage stellt, warum man dann im VN5 noch einen Verbrenner mitschleppt, der den kompletten Motorraum besetzt. Hier wäre ja sonst Platz für Fracht, ein sogenannter Frunk. Doch, siehe oben: Man hat das zwar bei LEVC auf dem Schirm, legt aber erst noch einen Zwischengang ein.

CCS-Standard ermöglicht schnelles Laden

Neben dem Verbrenner an Bord nimmt aber auch die Ladetechnik etwaige Reichweitenängste. Schon in der "Business" genannten Basisversion gehört neben dem 11-kW-AC-Lader ein 50-kW-CCS-Lader zum Standard, neben Digitalinstrumenten, 9-Zoll-Infotainment, LED-Hauptscheinwerfer vorn und -leuchten hinten, City-Notbremse, Tempomat und Klimaanlage. Mit dem Bordladepackage, das gut erreichbar in einer Klappe der Kühlerhaube sitzt (wahlweise auch links ein Chademo-Anschluss), ist man binnen einer halben Stunde im DC-Modus wieder voll mit Energie geladen. Selbst beim 11-kW-Gerät dauert es maximal gute zwei Stunden.

Wahlweise gibt es in der höchsten Ausstattung "Ultima" im Paket mit Rückfahrkamera, Luxussitzen, Metallic-Lackierung auch einen 22-kW-AC-Lader, den man dann eigentlich fast nicht braucht. Eher schon die Goodies der mittleren Linie "City", die praxisnah um eine beheizte Frontscheibe, eine Einparkhilfe vorne und hinten, Vorhang-Airbags, Intelligenten Tempomat mit Verkehrszeichenerkennung sowie Spurwechselwarner und Laderaumvollverkleidung ergänzt.

Die Konkurrenz von PSA hält vollelektrisch gegen

Wie auch immer: Unterm Strich werden Transportunternehmer also schon mit der Basis gut bedient, die für das Gebotene mit 52.450 Euro Netto, abzüglich 5.625 Euro Prämie unter 47.000 Euro nicht billig, aber adäquat gepreist erscheint für einen De-facto-Elektro-Van. Wobei die jüngst rasch erwachsene Konkurren von PSA auf diesem Level einen vollelektrischen Transporter mit 75-kWh-Akku, 300 Kilometer City-Reichweite und ähnlichen Frachteigenschaften für 42.000 Euro netto auffährt - exklusive 9.000 Euro BEV-Bonus ... Schnelllebige Zeiten.

Wie auch immer: Alles andere als "billig" ist aber auch die ganze Anmutung es Fahrzeugs. Das Ambiente hat schon eher "Volvo"-Touch als schnöden Transportercharme, wenngleich es etwas "plastifiziert" riecht im Fahrzeug. Die Kunststoffe sind ansehnlich und solide verarbeitet, die ganze Aluminium-Karosserie, die wie das ganze Chassis hochfest verklebt ist, rührt sich auch bei Kanaldeckeln keinen Millimeter. Knarz- und polterfrei absolviert der komfortabel federnde Brit-Van den Stadtparcours.

Wenden in einem Zug: Top Wendekreis

Seine Königsdisziplin: U-Turn. Mit 10,1 Meter ist der Wendekreis dermaßen kompakt, dass man erst gar nicht glaubt, das Lenkrad noch weiter einschlagen zu können. Auf der Landstraße liegt das mit 2.070 bis 2.200 Kilogramm im Leerzustand aber auch Diesel-mäßig schwere Doppel-Antriebsgefährt satt und sicher auf der Straße und neigt sich selbst bei zackiger Gangart kaum in den Kurven. "Gediegen", das Wort kommt einem in den Sinn, wollte man das Handling den Charakter des VN5 beschreiben.

Wobei das für einen E-Van noch akzeptable Leergewicht natürlich an der Nutzlast knabbert, die die Spanne bis zum zulässigen Gesamtgewicht von 2.900 Kilogramm lässt. Ein Wermutstropfen, der Lieferdienste weniger betreffen dürfte, Gewerbetreibende umso mehr: Es gibt (noch) keine Anhängekupplung. Dafür vorn wie hinten üppige Achslastreserven von 1.500 Kilogramm und 100 Kilo Dachlast nebst einem maßgeschneiderten Träger sowie ein klassengemäßes Ladevolumen von 5,5 Kubikmeter. Außerdem kooperiert man bereits mit Ausbauern wie bott, der für das Ausstellungsmodell einen Service-Ausbau im Laderaum realisierte.

Kein Raumkünstler: Format eines langen Bullis

Wobei das vielleicht die Achillesferse des VN5 ist, der sich an die hübsche und sicher imagefördernde Taxi-TX-Basis anlehnt, hinter der B-Säule aber anderer Wege geht. Elf Zentimeter mehr Höhe, 40 Zentimeter mehr Radstand, mit der langen Knuffelschnauze eine Gesamtlänge von satten 5,23 Meter, das ist schon die Lang-Version eines Vito, Transporters oder Peugeot Expert/Opel Vivaro. Auch die Höhe von 1,99 und die Breite von 1,94 Meter verweisen in Richtung des Bestsellers aus Hannover.

Raumeffizienz stand bei dem dickwandigen und auch im Laderaum burgsoliden Van, der mit prankentauglichen Griffen, heckseits strammen Türbügeln, fetten Zurringen und einer wuchtigen und satt schließenden Schiebetür klotzt, also nicht ganz oben auf der Agenda. So packt der VN5 zwar dank einer schön breiten Schiebetür von minimal 938, maximal 112 Zentimeter eine Palette von der Seite quer. Allerdings nicht so von heckseits, denn hier stören die wuchtigen Radkästen. Dafür kann man den Standardladeträger dann längst platzieren, die Ladelänge von fast 2,50 gibt das locker her.

Günstige Betriebskosten, langes Serviceintervall

Punkten soll der Neuzugang aber auch mit günstigen Betriebskosten: Wer meist elektrisch fährt, wird dies in Form günstigerer Energiekosten vergolten bekommen. Aber auch die Service- und Wartungskosten sollen niedriger liegen, sodass der Hersteller ein 40.000er-Wartungsintervall vorsieht. Außerdem verweist Produkt-Manager Thomas Wallenborn auf die hohe Solidität und Korrosionsbeständigkeit der Karosserie aus Alu, die für 15 Jahre Lebenszyklus ausgelegt sein soll, mehr als das doppelte eines Diesel-Vans, wie Hofmann stolz reklamiert. Untermauert wird das von einer Fünf-Jahres-Garantie über 240.000 Kilometer, auf den Akku gewährt man acht Jahre.

Telematik mit Geotab entwickelt

Zudem wird das zeitgemäße Infotainment noch mit einer Telematik abgerundet, die man mit dem US-Spezialisten Geotab entwickelt hat, die ab dem dritten Quartal im Jahrespaket für 220 Euro zu haben sein soll und die die Effizienz im Betrieb nochmal ordentlich optimieren soll: 10 bis 50 Prozent mehr Streckenproduktivität verspricht man. Auch das sogenannte Geofencing, das automatische Einschalten des EV-Modus in Umweltzonen, soll dann möglich sein.

Ein Netz von 20 Händlern in Deutschland will man bis Jahresende aufgespannt haben, wie Europa-Chef Martin Rada ankündigt, das für Vertrieb und für Vertrauen sorgen soll. Zum "Herantasten" hat man mit Santander ein Leasing-Modell für 699 Euro/mtl. aufgezogen (48 Mon./30.000 km), ALD steht als Full-Service-Partner bereit und auch über ein flexibles Abo-Modell à la Volvo denkt man nach zur Heranführung an die Materie.

Höhere Ziele: Auch das 3,5-Tonner-Segment im Visier

Die soll übrigens noch erweitert werden: Dem Vernehmen nach kommt neben einer Camper-Variante mit britischem Wohnmobilausbau - fernstreckentauglicher Elektro-Camper, eine echte Alleinstellung im Segment - mittelfristig auch noch eine Abrundung nach oben, sprich im 3,5-Tonner-Bereich. Und alle LEVCs fahren in nicht allzu ferner Zeit auch auch rein batterieelektrisch. Wenn Menschen, Technik und Ladeinfrastruktur dann nach Meinung von LEVC wirklich soweit sind. Der Markt wäre jedenfalls da: 65.000 Diesel-Vans fahren tagtäglich in die Londoner City, der Online-Handel und Lieferdienste boomen, wie Hofmann berichtet. Da muss doch was gehen. Oder rollen.

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