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Kfz-Bauteile reparieren statt recyceln: KI-Systeme sollen Identifikation erleichtern

Viele Bauteile landen, obwohl noch brauchbar, jährlich auf dem Schrottplatz. Um die Abfallmenge zu verringern arbeitet die Fraunhofergesellschaft an einem Verfahren, das diese mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) auf Wiederverwendbarkeit prüfen soll.

Produktvarianz - zwei Generatoren mit unterschiedlicher Teilenummer gleichen sich optisch. | Bild: Fraunhofer IPK/Larissa Klassen.
Produktvarianz - zwei Generatoren mit unterschiedlicher Teilenummer gleichen sich optisch. | Bild: Fraunhofer IPK/Larissa Klassen.
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Claudia Leistritz

Ressourcenschonender als Recycling, so die Fraunhofer-Gesellschaft, wäre die Instandsetzung ausrangierter Kfz-Bauteile. Mit der Erhöhung der Lebensdauer dieser Produkte ginge eine Verringerung der Abfallmenge sowie der CO2-Emissionen einher. In dem Forschungsprojekt EIBA (Erfassung, Identifikation und Bewertung von Altteilen) will das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK nun ein KI-basiertes Assistenzsystem für die „teilautomatisierte bildbasierte Identifikation von Altteilen ohne QR- oder Barcodes“ entwickeln. Es soll dem Arbeiter das Sortieren und Auswählen für die Wiederverwendung geeigneter Stücke erleichtern.

Das Projekt EIBA, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF, will die Ziele des Pariser Klimaabkommens mit Hilfe von Kreislaufwirtschaft erreichen helfen. Eine Schlüsselkomponente dabei, so heißt es, könne das Remanufacturing werden, das als „ein Prozess zum Angleichen gebrauchter Geräte auf den Neuzustand“ beschrieben wird. An dem Projekt als weitere Partner beteiligt sind die Circular Economy Solutions GmbH, die Technische Universität Berlin und die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Acatech.

Eine Studie des VDI (Verein Deutscher Ingenieure)-Zentrums für Ressourceneffizienz habe ergeben, dass durch das Remanufacturing von Altteilen bis zu 80 Prozent der Herstellungskosten eingespart und bis zu 90 Prozent der Materialverbräuche reduziert werden könnten.

„Vier-Augen-Prinzip“

Die Schwierigkeit, so berichtet das Fraunhofer IPK, bestünde in der eindeutigen Identifizierung und Bewertung von teils stark verschmutzten und verschlissenen Fahrzeugbauteilen. Bisher werde diese Arbeit „unter hohem Zeitdruck“ von Fachleuten per Hand durchgeführt. Das wollen die Forscher ändern und die Werker bei der Auswahl und Bewertung von defekten Verschleißteilen wie Anlasser, Klimakompressoren oder Lichtmaschine durch ein KI-basiertes Assistenzsystem „nach dem Vier-Augen-Prinzip“ unterstützen.

„Mensch und Maschine Hand in Hand“

In der Automobilindustrie werden ausgebaute Altteile im Sortierzentrum anhand bestimmter Kriterien auf Wiederverwendbarkeit beurteilt. Das sei eine diffizile Angelegenheit, sagt Marian Schlüter, Wissenschaftler am Fraunhofer IPK: „Teilenummern als das einzige optisch zuverlässige Merkmal sind nicht mehr lesbar, zerkratzt, überlackiert, oder Typenschilder sind abgefallen.“ Auf diese Weise würden viele Teile fälschlicherweise aussortiert und nur nach ihrem Material verwertet. Das soll mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) verhindert werden, die die Altteile „unabhängig von der Teilenummer anhand des Aussehens“ identifiziere und auf diese Weise der Wiederverwendung zuführen könne.

Als Grundlage zur Beurteilung dienten hierbei Merkmale wie Gewicht, Volumen, Form, Größe und Farbmerkmale, „aber auch Kunden- und Lieferdaten“, heißt es weiter. Das Identifizieren loser Komponenten oder verbrannter Bauteile, die das KI-System mit seiner Bildverarbeitung nicht erkennen könne, übernehme dann der Arbeiter.

Analyse

Wie der Prozess genau ablaufen soll, schildert die Forschungsgesellschaft folgendermaßen: Das Altteil wird „bildbasiert“ verarbeitet, indem das System die Verpackung scannt, um Informationen über die Produktgruppe zu erhalten. Mit der KI-Methode wird der Suchraum für die Identifikation dann durch „Zerlegung in Teilprobleme“ von 1:120.000 auf 1:5.000 reduziert. Dann wird das Gewicht festgestellt und das Produkt mit 3D-Stereokameras aufgenommen.

Datensammlung

Die Ergebnisse werden dann zur möglichst einwandfreien Identifikation mit den teilspezifischen Merkmalen wie Herkunft, Datum und Ort kombiniert. Die erhaltenen Daten verarbeiten dann zwei KI-Systeme parallel, führen die bildbasierten Ergebnisse wie die teilspezifischen Daten zusammen und bilden dadurch eine „zuverlässige gesamtheitliche Identifikation“.

„Ein KI-System wurde für die Bildverarbeitung trainiert, dies war unsere Aufgabe im Projekt, das zweite für die Geschäftsdaten“, so Schlüter. Bei der Bildverarbeitung würden „Convolutional Neural Networks“ verwendet: auf die Extraktion von Merkmalen aus Bilddaten spezialisierte Algorithmen des maschinellen Lernens. Das Ergebnis inklusive Vorschlagsliste mit Vorschaubild und Teilenummer erhalte der Mitarbeiter angezeigt, der auf diese Weise die Kontrolle behalte.

Schnell, vernetzt, flexibel

Die KI werde in den laufenden Betrieb so integriert, dass der Arbeitsablauf ungestört bleibe. Zudem werde der Mitarbeiter nicht mit zusätzlichen Aufgaben belastet, „was bei diesem zeitsensiblen Prozess von großer Bedeutung ist“.

Das System laufe zudem auf herkömmlichen Desktop-PCs und über die Cloud könnten alle Firmenstandorte miteinander vernetzt werden, sodass „das Erfahrungswissen eines Mitarbeiters Werkern an anderen Standorten“ zugute komme, so der Bericht. Auch sei die flexible Technologie ebenso für alle anderen formbeständigen Bauteile einsetzbar.

Mehr Altteile für Kreislaufwirtschaft

Jährlich werden bei dem Unternehmen Circular Economy Solutions GmbH, das mit Lösungen zur Wiederverwendung von Altteilen befasst ist, von einer Million Altteilen mit etwa 70.000 Stück fünf bis sieben Prozent aussortiert, weil sie nicht identifiziert werden können. Eine Studie im Projekt habe eine Wiedererkennungsgenauigkeit der Gebrauchtteile von 98,9 Prozent festgestellt:

„Bezogen auf die 70.000 aussortierten Altteile können durch eine KI-basierte Identifikation voraussichtlich 67.200 mehr Altteile als zuvor dem Kreislauf zugeführt werden.“

Längeres Leben für Altteile, doch hoher Energieverbrauch

Das Vorhaben werde durch die Projektpartner „kontinuierlich hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit“ überprüft, berichtet die Fraunhofer Gesellschaft weiter. Ziel sei es, mehr Altteile wiederzuverwenden. Für das ganze Verfahren – Training der KI-Systeme, Betreiben der Kameras und PCs – werde zwar viel Energie verbraucht, dennoch lohne sich der Aufwand. Schlüter:

„Das Einsparpotenzial von CO2-Äquivalenten ist hoch, demgegenüber ist der Energiebedarf der KI zu vernachlässigen. Nach unseren Hochrechnungen rentiert sich das KI-System, wenn man die CO2-Äquivalente betrachtet, spätestens nach einer Woche.“

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