Forschung zum Schnellladen von E-Lkw: MAN kooperiert mit ABB E-mobility
MAN Truck & Bus und der schweizer Anbieter von Ladeinfrastrukturlösungen für Elektrofahrzeuge ABB E-mobility haben einen exklusiven Kooperationsvertrag abgeschlossen, der die Entwicklung auf dem Gebiet von Ladelösungen für den Schwerverkehr voranbringen soll. Das berichtet der bayerische Truckhersteller in seiner neuesten Pressemeldung im Rahmen der Elektronikmesse CES in Las Vegas. In dem zunächst auf drei Jahre angelegten Projekt haben die beiden Unternehmen vor allem die Anforderungen in der Logistik im Blick.
Als eher selten in seiner Branche bezeichnet Thomas Nickels, Senior Vice President Engineering bei MAN, eine derartige Partnerschaft im Bereich Forschung und Entwicklung (R&D). Daher komme der Vereinbarung eine besondere Stellung zu. Nickels, zugleich Mitglied des MAN-Aufsichtsrats auf Arbeitnehmerseite, stellt das gemeinsame Interesse an einer „vertrauensvollen, verbindlichen und transparenten“ Kooperation heraus, die das Projekt prägen und den gesamten Entwicklungsprozess begleiten soll:
„Dabei setzen wir schon bei der Entwicklung von Produkten und Standards an und stellen die speziellen Anforderungen in der Nutzfahrzeugindustrie in den Fokus.“
Industrieübergreifende Kooperationen in der Branche seien vor allem in Hinsicht auf Hochleistungsanforderungen wie bei Nutzfahrzeugen mit dem Megawattladen (MCS, Megawatt Charging System) gefragt.
Parallele Aktionen
Angesichts der Forderung der Politik nach drastischen Senkungen der CO2-Emissionen zielen die Ambitionen des Truckherstellers schon länger auf den raschen Übergang zum „grünen Schwerlastverkehr“. Mit ABB E-mobility, einem Tochterunternehmen des Züricher, auf Elektrifizierung und Automation spezialisierten Technologiekonzerns ABB, ist die Tochter der Traton-Group seit rund zwei Jahren in Sachen Elektrifizierung schwerer Lkw auch für den Fernverkehr im Gespräch. ABB E-mobility beteiligt sich diesbezüglich beispielsweise auch an einem von der EU geförderten und noch bis Ende 2025 laufenden Projekt für E-Lkw-Konzepte, wie vor knapp einem Jahr berichtet.
Partnerschaft forciert Standardisierung
Auch MAN arbeite nicht nur mit ABB, sondern zudem mit weiteren Akteuren des Sektors an der Verwirklichung eines „nachhaltigen und ökonomischen Schwerlast- und Personenfernverkehrs“, betont Nickels. Erst die Zusammenarbeit mit ABB E-mobility jedoch würde den Bestrebungen die erforderliche Dynamik verleihen:
„Durch die Kooperation mit ABB E-mobility können wir frühzeitig Herausforderungen der neuen Technologie angehen und Standardisierungen vorantreiben.“
Beschleunigte Produktentwicklung
Als Beispiele für eine besondere Hürde auf diesem Weg nennt der Bericht den Kommunikationsstandard ISO15118-20 oder „neue Wege der Signalübertragung“. Denn Grundlage des Datenaustauschs beim Megawattladen sei die kabelgebundene Ethernet-Technik, die in der E-Mobilität erstmals zur Anwendung komme. Um die Entwicklungen zu beschleunigen und in einem ganz neuen Marktumfeld möglichst schnell mit einem tragfähigen Produktangebot reagieren zu können, setzt man nun auf „frühzeitige Software- und Interoperabilitätstests mit Fahrzeug und Ladestation“.
Vertrauen schaffen
Für eine ganzheitliche Erfassung der betroffenen Bereiche haben die Akteure daher nicht nur die interne Entwicklung und Weiterentwicklung von Komponenten wie Ladestationen, Fahrzeugen und Software in den Blick genommen, sondern wollen von Anfang an auch die Kundenerfahrungen in ihre Lösungen miteinbeziehen. Laut Bericht sollen diese Zielsetzungen als Grundlage für die Vertrauensbildung beim Kunden dienen, um die E-Mobilität im Fernverkehr zu etablieren.
„Hohe Ladeleistungen, eine zuverlässige Technologie, Vertrauen beim Kunden – das sind die Voraussetzungen für den Erfolg der Elektromobilität im Schwerlast- und im Personenfernverkehr“,
meint Floris van de Klashorst, Senior Vice President Products & Hardware Platforms bei ABB E-mobility.
Erste Lösungen 2025
Eine Zusammenarbeit an der Weiterentwicklung bereits ab der Produktfrühphase ermögliche eine umso bessere Ausrichtung am Kunden, heißt es. Laut van de Klashorst will man nun bis 2025 ein den Anforderungen der Logistik entsprechendes Produkt herausbringen.
Weiters bekräftigt der Spezialist für Ladelösungen die hohe Bedeutung eines zuverlässigen Funktionierens aller an der E-Mobilität beteiligten Faktoren, um der Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu wolle man auch die Erfahrungen aus Anwendungen mit geringerer Leistungsfähigkeit wie der CCS-Technologie (Combined Charging System) nutzen:
„Der Markt benötigt ein Ökosystem, das ineinandergreift und zuverlässig arbeitet. Deshalb wollen wir gemeinsam ein Konzept für das Zusammenspiel von MCS und CCS entwickeln, das Themen wie Platz, Energieversorgung und Netzausbau aufgreift“,
so van de Klashorst. Und mit der Aussage, beim Finden kundenorientierter Lösungen für den Einsatz im Depot wie unterwegs sei das Know-how von MAN besonders hilfreich, weist er auf mögliche Arbeitsfelder für künftige Projekte.
Aber auch in der aktuellen Kooperation werden Bereiche außerhalb der Logistik bereits mitgedacht und zukünftige Entwicklungsleistungen skizziert, wie sie beispielsweise der Reiseverkehr fordere. So würden bald auch Wohnmobile und Reisebusse die Hochleistungsladetechnik MCS benötigen, prognostiziert der ABB-Entwicklungsleiter: „Das bringt zusätzliche Herausforderungen und ein verändertes Nutzerverhalten“.
ABB E-mobility ist nach eigenen Angaben im Bereich Ladelösungen für E-Fahrzeuge (EV, Electric Vehicle) der weltweit führende Anbieter, arbeitet mit den weltweit größten E-Fahrzeugherstellern zusammen und betreibt landesweite Ladenetze. Lösungen werden für Pkw, Busse, Lkw und Spezialfahrzeuge angeboten. Die rund 1.500 Mitarbeiter der ABB-Tochter arbeiten in 85 Ländern. Das Unternehmen hat, wie der Mutterkonzern, seinen Sitz in Zürich. In Deutschland arbeitet die Sparte unter der Bezeichnung ABB E-mobility GmbH mit Hauptsitz in Mannheim als Vertriebs- und Servicegesellschaft mit rund 70 Mitarbeitern.
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