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Neue Herausforderungen in Zeiten der Elektromobile

Zwar sind Elektrofahrzeuge weniger wartungs- und reparaturintensiv, dennoch wird den Werkstätten die Arbeit nicht ausgehen. Zu diesem Ergebnis kommen die Experten Tobias Hillwig von ATU und Rolf Hildebrand von ZF Aftermarket bei einer Veranstaltung unserer Schwester-Zeitschrift VISION mobility.
Hochkarätige After-Market-Experten diskutierten mit Profis aus dem Handel. (Bild: B. Brandenburg/ Huss Verlag)
Hochkarätige After-Market-Experten diskutierten mit Profis aus dem Handel. (Bild: B. Brandenburg/ Huss Verlag)
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Redaktion (allg.)

Für den VISION mobility Think Tank war die Meinung neutraler externer Partner gefragt, die sich in Tobias Hillwig, Leiter Technisches Management bei ATU, und Rolf Hildebrand, Leiter Service Readiness T bei ZF Aftermarket bei ZF, fanden. Hillwig war vorher bei Renault und betreute dort die Elektromodelle, während Hildebrand bei ZF auch den Aftermarket für die elektrischen Nutzfahrzeugkomponenten betreut. Beide kommen also tief aus der elektrifizierten After-Market Praxis – respektive gehören zu den Pionieren, die diese im Aftermarket gerade aufbauen. 

Und beide kamen schnell zu der Ansicht, dass die Kunden auf absehbare Zeit keine großen finanziellen Vorteile erwarten könnte, denn: Es wird zwar gerne beteuert, dass die Elektrofahrzeuge weniger Service und Wartung benötigen würden, doch die Aufwände dafür sind teils höher. Ganz besonders betrifft das die Hybride und Plug-in-Hybride, bei denen zur Verbrenner- die Elektro- respektive Hochvolttechnik komme. Und da sei es laut ATU-Mann Hillwig derzeit wichtiger, dass die Servicemitarbeiter einen Rechner bedienen können, bevor sie zum Werkzeug oder an die Maschine greifen. Denn die moderne Werkstatt nutzt viel komplexere Maschinen mit deutlich mehr Automatisierung und Präzision – doch die wollen eben korrekt bedient werden.

Mechanisch begründeter Serviceaufwand sinkt

Hildebrand von ZF ergänzt, dass es aktuell außerdem ein Add-on-Geschäft sei, das Werkstätten zum Verbrennerbusiness addieren müssten. Und er pflichtet Hillwig bei, dass man das Personal daraufhin umfassend schulen müsse. Denn die Qualität würde den Unterschied machen – und just da müsse investiert werden. Wenngleich er zugibt, dass der Serviceaufwand für reine E-Fahrzeuge tatsächlich sinke.  Wenngleich hier manche Hersteller bereits durch das Kombinieren mehrerer Baugruppen gegensteuern: So weiß Hillwig von kompletten Achsschenkeln, die getauscht werden müssten, statt das man einzelne Komponenten ersetzen könnte. Auch bei den neuen Elektromaschinen samt Getrieben sei es oft günstiger, das komplette Package zu tauschen und die defekte Einheit anschließend separat aufzuarbeiten, statt E-Maschine und Getriebe zu trennen oder bei der Reparatur bis auf die „Zahnradebene“ vorzudringen.

Und da kam das Plenum gleich in Fahrt: Tatsächlich würden reine E-Autos weniger Wartung benötigen, wie man aus der Praxis des BMW i3 gelernt habe, dessen Verschleiß sich tatsächlich großenteils auf Reifen und Fahrwerk beschränkt. Selbst die Bremsen müssten wegen der Rekuperationsmöglichkeit viel seltener getauscht werden. Mit ein Grund, weshalb man hier an der zumindest an der Hinterachse wieder verstärkt auf Trommeln gehe, die Nichtbenutzung besser tolerieren als Scheiben.

Margenbringer Öl fällt aus

Und wie sieht das auf dem E-Mobility-Hauptmarkt China aus? Durchwachsen. Es gibt wohl mehrstöckige Hinterhofhändler und Werkstätten. Aber „Batterien brennen gut“ und wenn hier etwas vorfällt, wird nicht mehr lange gefackelt, wie ein VW-Mitarbeiter, der lange Jahre in China war, weiß: Dann ordnen die Behörden binnen vier Wochen die Schließung des ganzen Komplexes an und wer bis dahin nicht ausgezogen ist, wird eben hinausgeworfen. Doch auch in China gilt: Extra aufgebaute Werkstattkapazitäten für E-Autos stehen weitgehend leer, da der Wartungsbedarf auch hier viel geringer ausfällt. Hart trifft den Service aber auch der Entfall der Schmierstoffe: Öl ist das schwarze Gold der Werkstatt, in der immer noch ein Großteil der Marge steckt. Die beim Elektroauto praktisch hinfällig ist.

Elektromobile benötigen Schrauber mit Elektrokompetenz

Ein weiterer Punkt ist die Qualifizierung der Mitarbeiter – und die muss laut Hillwig erheblich höher ausfallen als bisher. Und nachdem ATU jahrelang vorsichtig mit Mitarbeiterzahlen agierte, sucht man jetzt händeringend kompetentes Personal. Zumal man berechtigt ist, den Service nach Herstellervorschrift abzuwickeln, dessen ordnungsgemäße Durchführung dann auch an den OEM gemeldet wird. Und da sei es eben mit etwas Schrauberbegeisterung nicht mehr getan, sondern es braucht intelligente Profis. Doch auch hier sind sich die beiden After-Market-Experten einig: Die Hersteller haben ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt liegt es an der Werkstatt und die könne über Qualität nur gewinnen. Denn künftig werde der Unterschied zwischen „Dürfen“ und „Können“ eher größer werden.

Mehr Aufwand durch komplexe Elektronik und Elektrik-Komponenten

Insofern einigen sich die Teilnehmer des Think Tanks am Ende auf die Aussage, dass die Elektromobilität vorerst nicht zu der erheblichen Kostenreduktion in Vertrieb und Service führen wird. Zwar werden „Motor“ und Bremsen in Wartung und Service bei reinen E-Autos tatsächlich günstiger, was zum Teil aber durch die Hochvoltelektrik, komplexere Betriebssysteme und Softwareupdates wieder aufgefressen wird. Dazu kommen komplexere Assistenzsysteme und Steuergeräte, die auch erst mittelfristig wieder vereinfacht werden könnten. Und statt einem großen Service wird man künftig eben ein großes Softwareupdate durchführen. Und in Sachen Glas, Reifen und Karosserie werden die Stromer künftig keine Vorteile gegenüber den Verbrennern bieten können. (Gregor Soller/ Chefredakteur VISION mobility)

(rpw)
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