Verkehrssicherheit: Bosch vernetzt erste Lkw mit seinem Echtzeit-Service – bald auch weltweit
Wettereinflüsse wie Eis, Nebel, Schnee und Wind, aber auch Hindernisse verschiedener Art auf der Fahrbahn gehören zu den Faktoren, die Fahrern das Leben besonders schwer machen und im Verkehrsgeschehen Unfälle provozieren können. Lösungen zur Reduzierung solcher Gefahren entwickelt auch der Stuttgarter Technologiekonzern und Zulieferer Bosch in seinem Unternehmensbereich Mobility. Die aus mehreren Aktionsfeldern zusammengesetzte Sparte befasst sich im Bereich Software auch mit der Vernetzung von Fahrzeugen.
Eigenen Angaben zufolge will das Unternehmen die „Transformation zur Software-definierten Mobilität“ mit seiner langjährigen Expertise auf diesem Gebiet forciert vorantreiben. Aus dieser Motivation entstand das Angebot vernetzter Kartendienste „Connected Map Services“. Und ein Bestandteil davon wiederum ist der cloudbasierte Echtzeit-Dienst „Road Hazard Service“, der laut Pressemeldung seit Juni 2024 „millionenfach in Pkw-Flotten eines führenden deutschen Automobilherstellers in Europa“ genutzt wird und nun kurz vor der Anwendung auch im Schwerverkehr steht.
Sicherheitssystem im weltweiten Straßenverkehr ausrollen
So soll das System, das vor fahrtbeeinträchtigenden Hindernissen wie „Glätte, schlechter Sicht, Starkregen, Wind, Unfällen, liegengebliebenen Fahrzeugen und Falschfahrern“ warnt, bereits ab Dezember 2024 in erweiterter Form auf den Nutzfahrzeugsektor übertragen werden. Erste Zielgruppe in diesem Bereich sind die Lkw des gleichfalls nahe Stuttgart lokalisierten Konzerns Mercedes-Benz Trucks, dem größten Anteilseigner der Daimler Truck Holding.
Aber die Anwendung soll bei weitem nicht nur auf diese Nutzergruppe beschränkt bleiben. Bosch, das vor kurzem auf der IAA Transportation sein umfassendes digitales Nfz-Portfolio vorgestellt hat, zielt nach eigenen Angaben auf die weltweite Ausbreitung seiner Entwicklung an. Von dem cloudbasierten Vernetzungssystem zum gesteigerten Verkehrsschutz sollen Pkw- und Lkw-Fahrer und somit auch weitere Verkehrsteilnehmer weltumspannend profitieren können.
Bei der neuesten Entwicklung aus der Bosch Mobility-Softwareabteilung werden Fahrzeug- und Umgebungsdaten gesammelt, mit Algorithmen die Verkehrssituation auf der Strecke in Echtzeit erfasst, bewertet und bei Bedarf eine Warnung ausgegeben. Dr. Markus Heyn, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility, sagt:
„Mit unserem vorausschauenden ‚Road Hazard Service‘ melden wir Auto- und Lkw-Fahrern rechtzeitig Gefahren, bevor es zu einer kritischen Situation kommen kann. Im Nutzfahrzeugbereich ermöglicht der Service zudem, Routen aufgrund kurzfristig auftretender Gefahren frühzeitig und effizient umzuplanen.“
Netz an Datenquellen
Zur erforderlichen Fülle an Informationen trägt die Sammlung von anonymisierten Daten „aus einer weltweiten Kundenfahrzeugflotte von mehreren Millionen Fahrzeugen“ bei, heißt es. Doch nicht nur die eigenen Kunden sorgen damit für eine satte Bewertungsgrundlage. Als weitere Datenquellen werden auch die Services und Angaben von Drittanbietern herangezogen wie Wetterdienste oder Straßenbetreiber.
Die inneren und äußeren Geschehnisse, die fahrzeugeigenen Aktivitäten und die Umgebungsverhältnisse aller mit der Anwendung ausgestatteten Fahrzeuge registriert der „Road Hazard Service“ genau und bringt diese Informationen in Abgleich mit den Angaben der Datenlieferanten. So werden zum Beispiel Angaben wie lokale Außentemperatur, Aktivität der Scheibenwischer und Nebelschlussleuchten, Verhalten des ESP-Schleuderschutzes oder Unfallmeldungen aufgenommen. Die Informationen zum Fahrzeugzustand führt die Software mit den passenden, von außen kommenden Datenpaketen zusammen. Alle Informationen werden analysiert und der Fahrer erhält einen Hinweis, wenn das System aufgrund der Berechnung Gefahren wittert. So heißt es:
„Sind in der Flotte beispielsweise Fahrzeuge unterwegs, die den Scheibenwischer auf höchster Stufe eingestellt haben, gleicht der Service die Informationen zusätzlich mit denen ausgewählter Wetterdienste ab – zum Beispiel ob es regnet oder wie viele Millimeter Wasser auf der Fahrbahn verzeichnet werden“.
Ein „Fusionsalgorithmus“ ermittelt dann, ob beispielsweise Aquaplaning droht. Gegebenenfalls wird eine Warnung ausgegeben, so dass der Fahrer seine Geschwindigkeit korrigieren kann.
Umgebungskontrolle
Oder wird die Sicht beispielsweise durch Nebel eingeschränkt und erreicht einen für den Fahrer kritischen Wert, gleicht der „Straßenrisiko-Service“ die Verhältnisse mit der Aktivität der Nebelschlussleuchten der Fahrzeuge in der gesamten betroffenen Region ab. Ein Algorithmus legt dann fest, ob und wann eine Warnung erforderlich ist.
„Durch eine Referenzflotte wird kontinuierlich sichergestellt, dass die Services ein hohes Maß an Qualität aufweisen“,
heißt es dazu. Außerdem enthält die Funktion zusätzlich noch eine Falschfahrerwarnung: „Befindet sich in der Nähe ein Falschfahrer oder fährt der Fahrer selbst in die falsche Richtung, erhält er eine Warnung direkt ins Navigationsdisplay.“
Bestandteil der vernetzten Kartenservices
Der Road Hazard Service gehört zum Angebot „Connected Map Services“ aus dem softwarebasierten Bosch-Mobility-Portfolio. Die verschiedenen Funktionen dieser vernetzten Kartenservices kontrollieren unablässig Fahrzeug-, Straßen- und Wetterdaten rund um die angebundenen Fahrzeuge und sollen durch rechtzeitige Warnungen zu mehr Fahrsicherheit und -komfort beitragen. Zur Wirkweise sagt der Anbieter:
„Mithilfe der Schwarmdaten und Wetterinformationen lassen sich beispielsweise auch Fahrerassistenzsysteme wie die adaptive Abstandsregelung oder die automatische Notbremsung optimieren“.
Weiterer Baustein zum automatisierten Fahren
Dabei wird berücksichtigt, dass zum Beispiel der Bremsweg auch vom Straßenzustand abhängt und der Reibwert der Straße bei Nässe niedriger ausfällt als bei Trockenheit. Entsprechend muss die Notbremsung dann auch früher ausgelöst werden, um einen möglichen Unfall zu verhindern. Mit den Daten ist es möglich den Fahrer künftig noch früher bei Nässe oder Glätte zu warnen. Auf der Website wird es so beschrieben:
„Auf der Grundlage von crowd-basierten Daten aus Millionen von vernetzten Fahrzeugen weiß das System, was als Nächstes kommt, bevor der Fahrer oder die Sensoren es sehen können.“
Durch die Anbindung von Millionen von Fahrzeugen an den vernetzten Kartendienst wird auch die Grundlage für das immer weiter verbreitete assistierte und automatisierte Fahren geschaffen, wie das Unternehmen schreibt. Die Systeme könnten in dieser Form viel mehr leisten als die bisher üblichen Assistenzen zur Erfassung der Fahrzeugumgebung, die in ihrer begrenzten Funktion lediglich das jeweilige Fahrzeug überwachen: die im System vernetzten Gefährte profitierten nämlich "aus der Summe der Erfahrungen aller angebundenen Fahrzeuge" und könnten somit die Informationen aus einem deutlich erweiterten Aktionsfeld nutzen. Bei Bosch heißt es hierzu:
„Die Connected Map Services agieren als zusätzlicher Sensor, der weit über das Sichtfeld und die Reichweite von Radar- und Videosensoren hinausblickt und das automatisierte Fahrzeug auch bei schlechten Sichtverhältnissen zuverlässig mit allen relevanten Daten für eine sichere Fahrweise versorgt.“
Vernetzung: Erfahrungen teilen und gemeinsam nutzen
Der Vorteil gegenüber nicht derart angebundenen Fahrzeugen liege darin, dass jedes einzelne auf die gesamten Daten und Erfahrungen der anderen zugreifen könne, da alle miteinander vernetzt seien, heißt es. Aus der Fülle an Daten ließen sich dann auch weitere Kenntnisse gewinnen: zum Beispiel welches die optimale Fahrgeschwindigkeit in einem Kreisverkehr darstellt oder wie man unübersichtliche Straßenkreuzungen oder Verkehrssituationen am sichersten befährt oder wo Lokalisierungsmarken gesetzt sind, mit denen sich das Fahrzeug zentimetergenau verorten kann. Auf diese Weise ließen sich automatisierte Fahrzeuge auf eine „natürlichere und vorausschauenden“ Fahrweise trimmen.
Als größter der vier Unternehmensbereiche der Bosch Gruppe – neben Industrial Technology, Consumer Goods und Energy and Building Technology – hatte Bosch Mobility 2023 mit 56,2 Milliarden Euro einen Anteil am Gesamtumsatz von knapp 60 Prozent. Damit ist das Technologieunternehmen nach eigenen Angaben einer der führenden Anbieter in der Mobilitätsindustrie. Wesentliche Geschäftsfelder darin stellen die Bereiche Elektrifizierung, Software und Services, Halbleiter und Sensoren, Fahrzeugcomputer, fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme sowie Systeme zur Regelung der Fahrdynamik dar. Weitere Elemente sind Werkstattkonzepte und Technik und Service für den Kraftfahrzeughandel. Die Bosch-Gruppe beschäftigt weltweit insgesamt rund 429.000 Mitarbeiter. Rund 470 Tochter- und Regionalgesellschaften sind in über 60 Ländern verteilt. 90.000 Mitarbeiter zählt der Konzern im Bereich Forschung und Entwicklung, 48.000 im Bereich Software-Entwicklung.
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