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Digitalisierung: „Wir brauchen eine Marktregulierung durch die Europäische Kommission“

Bei der Online-Veranstaltung „Let’s talk business“ diskutieren Experten im Rahmen der Automechanika 2021 über Connectivity und Daten als Währung.

Teilnehmer beim Web-Format „Let’s talk business“, moderiert von Sarah Lindsey (l.o.) | Bild: Messe Frankfurt Exhibition GmbH
Teilnehmer beim Web-Format „Let’s talk business“, moderiert von Sarah Lindsey (l.o.) | Bild: Messe Frankfurt Exhibition GmbH
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Tobias Schweikl

Mit einem Web Talk zum Thema „Connectivity, neue datenbasierte Business Modelle und der rechtliche Rahmen“ organisierte die Automechanika eine dritte Veranstaltung der Reihe „Let’s talk business“. Vertreter aus verschiedenen Bereichen der Automobilwirtschaft kamen zusammen, um die aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet zu diskutieren.

„Mit unserer Let's-talk-Reihe wollen wir nicht nur bedeutenden Stakeholdern die Möglichkeit geben, sich auszutauschen. Wir wollen auch wichtigen Themen das breite Publikum unserer internationalen Plattformen Automechanika und Hypermotion bieten”, so Sarah Lindsey, Director Business Development Automotive, Transport und Logistics bei der Messe Frankfurt, die den Talk moderierte.

Prognosen zufolge könnte demnach bereits 2025 jedes zweite Fahrzeug in Europa vernetzt sein. Mit der Anzahl der vernetzten Fahrzeuge stiege aber auch die Datenmenge, die gesammelt werde, so die Experten. Dabei könne es sich etwa um Standortdaten, Informationen über den Zustand des Fahrzeugs oder auch um sicherheitsrelevante Verkehrsdaten handeln.

Aber wer hat Zugriff auf diese Daten und wem gehören sie? Verändern sie bereits bestehende Geschäftsmodelle? Und: Braucht es eine europaweite Marktregulierung, um den gleichen Zugang zu den Daten für alle zu gewährleisten und neue datenbasierte Geschäftsmodelle voranzutreiben?

Mit bei dem Talk dabei waren Gerd Preuss, verantwortlich für Produktmanagement beim ADAC, Norbert Dohmen, Managing Director, Caruso Dataplace, Frank Schlehuber, Senior Consultant Market Affairs, CLEPA – European Association of Automotive Suppliers sowie Dr. Tibor Pataki, Leiter Kfz-Versicherung / Kfz-Technik beim GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und Ronan McDonagh, Technical Director der Figiefa – The European Federation of Automotive Aftermarket Distributors.

Dass Connectivity für bestehende und künftige Geschäftsmodelle der gesamten Automobilbranche weitreichende Veränderungen mit sich bringen wird, darüber waren sich die Vertreter aus den unterschiedlichen Branchensegmenten einig.

Norbert Dohmen, Managing Director von Caruso Dataplace formuliert es so: „Connectivity hat ein hohes disruptives Potenzial, das die gesamte Wertschöpfungskette in verschiedenen Branchen verändern kann. So rücken erstmals völlig neue Möglichkeiten in unser Blickfeld. Ich gehe davon aus, dass künftige Geschäftsmodelle weit mehr als je zuvor vom Datenzugang abhängig sein werden.”

Auch im Bereich der Pannenhilfe werde Konnektivität eine Schlüsselrolle spielen, so Gerd Preuss, Produktmanager beim ADAC. „Das wird unser Geschäft von Grund auf verändern. Denn durch Connectivity und die ausgewerteten Daten können wir im Voraus wissen, um welche Art von Pannenfahrzeug es sich handeln wird und können dementsprechend viel bessere Services bieten.”

Aus Sicht der Autoteile-Händler habe es ebenfalls Vorteile, im Voraus genau zu wissen, welches Fahrzeugteil ersetzt werden müsse. „Denn die Logistik des Ersatzteilgeschäfts ist recht anspruchsvoll. Mit neuen Technologien wie datenbasierter ‘Predictive Maintenance’ kann der Ersatzteilbedarf besser geplant werden und sichergestellt werden, dass das richtige Ersatzteil zum richtigen Zeitpunkt in der Werkstatt ankommt. Das würde unnötige Lieferungen vermeiden und eine effiziente und grüne Logistik ermöglichen”, so Ronan McDonagh, Technical Director der Figiefa.

Frank Schlehuber, Senior Consultant Market Affairs bei CLEPA, sieht auch für die Zulieferer der Automotive Branche neue Möglichkeiten durch Connectivity: „Erstens erhalten Zulieferer Informationen über das Verhalten von Komponenten und können daraufhin die Komponenten besser anpassen und gestalten.”

Auf der anderen Seite, so fügt Schlehuber hinzu, gebe es aber auch die Bedrohung eines bestehenden Marktes, nämlich des Reparatur- und Wartungsmarktes, in dem Konnektivität ein Gamechanger sei. Wer Zugang zu den Daten habe, habe auch Zugang zum Geschäft.

Alle Talk-Teilnehmer vertreten die Ansicht, dass es einen rechtlichen Rahmen braucht, um Transparenz zu schaffen und den Zugang zu den Daten für alle Stakeholder gleichermaßen zu ermöglichen – seien das Serviceprovider, Versicherungen oder Datenplattformen.

„Wir brauchen eine Marktregulierung durch die Europäische Kommission. Vor fünf Jahren haben die OEMs gesagt, dass alle Daten im Auto technischer Natur seien und diese Daten dem jeweiligen OEM gehörten. Aber das hat sich mittlerweile geändert, durch den Druck der Stakeholder, die fordern, dass der Verbraucher selbst entscheiden darf, wem er seine Daten zur Verfügung stellen möchte”, so Dr. Tibor Pataki, Leiter Kfz-Versicherung / Kfz-Technik beim GDV.

Ronan McDonagh vertritt die gleiche Ansicht: „Heute haben sich die Fahrzeughersteller durch ihre bislang ungeregelte Kontrolle über die Fahrzeugplattform als einziger Gatekeeper für den Zugang zum Fahrzeug und seinen Datenressourcen positioniert. Sie können entscheiden, welche Daten welchem Serviceprovider zu welchen Kosten zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein klares Hindernis für einen effektiven Wettbewerb auf dem Markt für Kfz-Dienste.”

Eine Lösung für dieses Dilemma ist möglicherweise in Sicht. „Die EU-Kommission hat dieses wichtige Thema auf ihre Agenda gesetzt und sich klar dazu verpflichtet, bis November diesen Jahres einen Vorschlag zu machen, wie ein rechtlicher Rahmen aussehen könnte”, so Frank Schlehuber.

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