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TÜV warnt vor fehlerhaften Fahrassistenzsystemen

Nach einer vom TÜV Rheinland und dem britischen Transport Research Laboratory (TRL) vorgenommenen Studie stellen Assistenzsysteme nach längerer Nutzung ohne Funktionsüberprüfung möglicherweise ein Risiko dar.

Immer mehr Fahrassistenzsysteme sind im Verkehr im Einsatz, deren Funktion laut TÜV Rheinland regelmäßig überprüft werden sollte. | Bild: TÜV Rheinland.
Immer mehr Fahrassistenzsysteme sind im Verkehr im Einsatz, deren Funktion laut TÜV Rheinland regelmäßig überprüft werden sollte. | Bild: TÜV Rheinland.
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Claudia Leistritz

Zwar könnten Fahrassistenzsysteme zur Verkehrssicherheit beitragen, berichtet der Kölner Prüfdienstleister, allerdings müsse man zu einer sicheren Beurteilung die Geräte über ihre gesamte Lebensdauer beobachten. Daher sollten die Systeme in die Hauptuntersuchung eingebunden und mitkontrolliert werden; denn Verschleiß, unsachgemäße Reparaturen oder Beschädigungen führten unter Umständen zu Fehlfunktionen.

Systeme unterliegen Alterungsprozess

Vor dem Hintergrund, dass Fahrssistenzsysteme zumindest in neuen Fahrzeugen immer mehr zur Pflichtausstattung gehören, weisen die Experten auf die Wichtigkeit von regelmäßigen Funktionskontrollen hin. Nach Hochrechnungen der beiden Prüfunternehmen könnte beispielsweise allein die nachlassende Leistung von Spurhalteassistenzsystemen bis zum Jahr 2029 etwa 790.000 „Risikoereignisse“ in der Europäischen Union verursachen. Dieses Ergebnis resultiert aus der Studie „Leistungsfähigkeit von Fahrassistenzsystemen über ihre gesamte Lebensdauer“, das der TÜV Rheinland mit dem britischen TRL durchgeführt hat.

In der Studie wurde untersucht, inwieweit Verschleiß, Schäden, mangelnde Wartung oder fehlende Kamerakalibrierung beim Austausch von Windschutzscheiben die Funktion von Spurhalteassistenzsystemen (Lane Keeping Assistants, LKA) beeinträchtigt. Zur Auswertung wurden einerseits die Erkenntnisse von Fachleuten, andererseits Ergebnisse von Praxistests herangezogen.

Langzeitnutzung noch nicht erforscht

Es sei zwar durchaus richtig, bestimmte Fahrassistenzsysteme ab kommendem Jahr zur Pflichtausstattung von Neufahrzeugen in der EU zu machen um Leben zu schützen, allerdings wüsste man noch viel zu wenig über die langfristigen Folgen verschlissener oder zu Schaden gekommener Assistenzsysteme auf Sicherheit und Straßenverkehr, äußerte sich Dr. Matthias Schubert, als Executive Vice President Mobilität beim TÜV Rheinland für das globale Mobilitätsgeschäft verantwortlich. Zur zukünftig obligatorischen Ausstattung in Neufahrzeugen zählen beispielsweise Spurhalteassistenzen, Notbremsfunktionen oder Rückfahrsysteme.

Die Sicherheitssysteme müssten über viele Jahre hinweg zuverlässig funktionieren, daher habe man untersucht, unter welchen Umständen die Spurhaltesysteme nur noch eingeschränkt funktionierten und welche Folgen das für die Verkehrssicherheit haben könnte, so Schubert. Zur Sicherheit sollten die Assistenzsysteme regelmäßig auf ihre Funktion und ihren Zustand hin kontrolliert werden. Denn je nach Szenario könnte die Anzahl an risikobehafteten Ereignissen, die aus fehlerhafter Funktion von Assistenzsystemen resultieren, jährlich bis zu 2,3 Millionen betragen, berichtet der TÜV Rheinland. Dabei wird jeder leistungsmindernde Fehler im System als Risikoereignis gezählt.

Mangelnde Aufmerksamkeit durch Assistenzsysteme

Nicht nur die Assistenzsysteme aber unterliegen Fehlfunktionen. Auch die Fahrer würden sich immer mehr auf die elektronischen Helfer stützen und an Aufmerksamkeit nachlassen. Die vermehrte Verbreitung von Fahrassistenzsystemen und die damit einhergehende Gewöhnung der Fahrer an deren zuverlässige Funktion bezeichnen die Experten als Routine-Effekt. „Das passiert unbewusst – auch, wenn uns die Systeme eigentlich nur entlasten sollen und die Verantwortung immer bei uns als Fahrerin oder Fahrer verbleibt“, sagt Rico Barth, globaler Leiter des Kompetenzbereichs vernetztes und automatisiertes Fahren bei TÜV Rheinland.

Jeder technische Fehler, der bei einem Spurhalteassistenzsystem zu einer verminderten Leistung führt, wurde bei der Studie als Risikoereignis bezeichnet. Dieses kann beispielsweise eintreten, wenn andere Komponenten wie eine beschädigte Windschutzscheibe eine zuverlässige Funktion nicht mehr gewährleisten, da in diesem Fall das Assistenzsystem nicht mehr richtig „sehen“ kann und sich daraufhin abschaltet. Wenn dann der Fahrer sich ganz auf die Assistenz verlassen hat und nicht ganz auf das Fahrgeschehen konzentriert ist, so der Bericht, kann es zu Gefahrensituationen kommen. Die Fahrer würden ein solches Szenario dann als Fehlfunktion des Systems betrachten, obwohl es doch in dieser Situation eigentlich richtig „reagiert“ und sich abgeschaltet habe, da es nicht mehr richtig funktionieren konnte.

Regelmäßige Überprüfung ratsam

Da absehbar mit den technischen Entwicklungen und rechtlichen Regelungen immer mehr Fahrassistenzsysteme zum Einsatz kommen werden, sollte beispielsweise beim Austausch von Windschutzscheiben, die Komponenten von Fahrassistenzen beinhalten, das ganze System auf korrekte Funktion überprüft werden. Nach einer Schätzung der Verfasser der Studie würden bereits 2025 wahrscheinlich rund 9,7 Millionen mit Kameras ausgestattete Windschutzscheiben in der EU ausgetauscht werden; 2019 betrug die Anzahl erst zwei Millionen. Die zunehmende Sicherheit im Verkehr hänge jedoch von einer möglichst weiten Verbreitung der Assistenzsysteme ab, daher sei deren technische Qualität und Funktionserhaltung äußerst wichtig; und ob ein technisches System auch auf Dauer korrekt funktioniere könne nur eine regelmäßige Wartung und Überprüfung feststellen, so Schubert.

Datenzugang erforderlich

Um diese Sicherheitsüberprüfung durchführen zu können sei jedoch für „unabhängige Dritte“ wie beispielsweise den TÜV Rheinland im Zusammenhang mit den regelmäßigen Hauptuntersuchungen ein Zugang zu den Systemdaten nötig. Denn schon kleine Unfälle oder falsche Reparaturen könnten die korrekte Arbeitsweise schwerwiegend beeinflussen.

Noch zu wenig Wissen über langfristigen Einsatz

Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes, so der Prüfdienstleister, liegt das durchschnittliche Alter der zugelassenen Pkw in Deutschland aktuell bei 9,8 Jahren und steigt stetig an. Man solle daher dringend weiter erforschen, wie sich eine korrekte Funktion von Fahrassistenzsystemen „über deren gesamte Lebensdauer“ sicherstellen liesse, meint Schubert. Weitere Studien könnten sich in diesem Zusammenhang beispielsweise den vorausschauenden Notbremssystemen oder Assistenzsystemen im Kleinwagensegment widmen.

Kompetenzteam und Testeinrichtungen zur Mobilität der Zukunft

Der Kölner Kfz-Spezialist behandelt laut Bericht in seinem internationalen Kompetenzteam „Future Mobility Solutions“ zentrale Zukunftsthemen der Mobilität und arbeitet zusammen mit Experten aus aller Welt zum Beispiel unter dem Schlagwort „Vision Zero“ an Projekten zur Weiterentwicklung von Elektromobilität, Fahrzeugsicherheit oder alternativen Antriebstechnologien. Der TÜV Rheinland ist zudem an mehreren weiteren Projekten beteiligt und verfügt auch international über mehrere Prüfeinrichtungen und Teststrecken, unter anderem in China und Ungarn. So seien die Fahrassistenzsysteme im ungarischen „ZalaZONE Automotive Proving Ground“ erfolgt.

Zum TÜV Rheinland

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