Reifenfachverband warnt: Viele Fragen zur Nfz-RDKS-Pflicht sind noch offen
Im Bereich Pkw sind Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) schon längere Zeit Pflicht in neu zugelassenen Fahrzeugen. Neu typgenehmigte Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht müssen seit Juli 2022 die Kontrollfunktion enthalten. Ab Juli kommenden Jahres soll diese Bestimmung auch für alle neu zugelassenen Fahrzeuge dieser Klassen N1-3 (Lkw, Lieferwagen), M2+3 (Busse, Wohnmobile) und O3+4 ((Sattel-) Anhänger) gelten. Über die Besonderheit und Problematik in diesem Fall berichtet nun der Bonner BRV (Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk).
Bei der Kontrolle des Reifendrucks kommen zwei Verfahren zur Anwendung: in der Erstausrüstung sind es in der Regel „direkt messende Systeme“, die den Luftdruck mithilfe von Sensoren in den einzelnen Reifen messen. Gibt es Abweichungen vom Sollwert, werden diese im Armaturenbrett mit einer Warnung angezeigt. Die zweite Lösung funktioniert indirekt und ohne Zusatzkomponenten: dabei werden die vom Antiblockiersystem (ABS) generierten Signale der Raddrehzahlsensoren ausgewertet. Druckabfälle werden anhand der Unterschiede in den Abrollumfängen der Reifen oder durch Abweichungen der charakteristischen Schwingungsfrequenz des einzelnen Reifens festgestellt.
Im Segment Nutzfahrzeuge wickelt der Reifenfachhandel rund 90 Prozent aller Reifen- und Pannenservicearbeiten ab. Aus seiner Erfahrung im Umgang mit solchen Maßnahmen warnt der BRV (Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk), dass viele Fragen zum RDKS-Handling beim Reifenservice an Lkw, -Anhängern und Bussen noch gar nicht geklärt seien.
Michael Schwämmlein, Geschäftsführer Technik beim BRV, erklärt den Sachverhalt: Bei Fahrzeugen mit RDKS-Pflicht gehört das RDK-System zur Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE). Soll diese Betriebserlaubnis nicht erlöschen, muss „jederzeit sichergestellt sein, dass das RDKS nach einem Reifenpannenservice oder einem regulären Reifenservice“ wieder ordnungsgemäß funktioniert, zum Beispiel wenn Zugfahrzeuge auf Winterbereifung umgestellt oder bei Trailern achsweise die Reifen getauscht werden. Problem: Im Vergleich zum Handling bei Pkw gestalte sich die Situation bei Nutzfahrzeugen etwas komplexer.
Fehlender OBD-Zugang
So gehe man aktuell davon aus, dass, wenn die Bestimmung in Kraft gesetzt ist, keine indirekten, sondern nur direkte, also RDKS-Sensor-basierte Systeme verwendet werden. Allerdings existierten hier sehr viele verschiedene Sensor-/Ventilvarianten, die sowohl im Handling wie von der Lagerhaltung her (zum Beispiel in Bezug auf Ersatzsensoren) besondere Anforderungen stellten. Problematisch sei auch, dass einige Fahrzeughersteller bei motorisierten Fahrzeugeinheiten, zum Beispiel Bussen oder Sattelzugmaschinen, den Zugang zur OBD-Schnittstelle des Fahrzeugs zur Konfiguration oder zum Anlernen von RDKS-Sensoren zunehmend einschränkten. Man könne dann nicht einfach, wie im Pkw-Bereich üblich, mit Hilfe der weit verbreiteten Handheld-Geräte zur RDKS-Diagnose und –Programmierung die RDKS-Funktion nach den angesprochenen Reifen-Maßnahmen wiederherstellen.
Fehlende Fahrerlaubnis
Ein weiteres Problem: Bei Fahrzeugen mit „Autolocation“-Funktion, die eine neue Sensor-ID oder –position selbständig anlernen oder erkennen kann, ist ein gewisser Fahrzyklus erforderlich, den allerdings das Servicepersonal aufgrund fehlender Fahrerlaubnis oft nicht leisten könne.
Fehlende Information
Außerdem werden ab nächstem Jahr erstmals auch nicht nur motorisierte, sondern auch gezogene Fahrzeugeinheiten von der RDKS-Pflicht betroffen sein. Hier ist weder ein eigenes Steuergerät noch eine OBD-Schnittstelle vorhanden, im abgekoppelten Zustand noch nicht einmal eine Spannungsversorgung –was die RDKS-Programmierung und –Diagnose natürlich erschwert. Zwar sind statt eines „echten“, also sensorbasierten, RDK-Systems bei Anhängern/Trailern alternativ auch Reifendruckfüll-/-regelsysteme zugelassen, allerdings verfügten die Servicewerkstätten noch kaum über die nötigen Informationen, um diese Funktionalitäten prüfen und warten zu können.
Fehlende Detailfragen
Und noch weitere Fragen blieben derzeit laut BRV seitens der Fahrzeughersteller ungeklärt: zum Beispiel, welche Art von System der Fahrzeughersteller überhaupt verwendet: RDKS oder Reifendruckfüll-/-regelsystem. Und wenn RDKS, dann mit welcher Art von Sensoranbindung: Gurt-, Band-, Ventilbefestigung oder „in den Reifen eingeklebter Container“? Offen bleibe auch, wie die RDK-Steuerung nach einem Positionswechsel oder Austausch einer Komplettradeinheit/eines Sensors konfiguriert oder angelernt werden soll und welche Hard-/Software dazu nötig ist. Auch über das Thema Zugangsbeschränkungen zur RDK-Steuerung, für die der Servicebetrieb eine Freigabe benötigt, werde man im Unklaren gelassen und ob für die Steuereinheit des RDK-/Reifendruckfüll- oder regelsystems eine externe Spannungsversorgung überhaupt notwendig ist.
Laut Schwämmlein drängt nun die Zeit. Der Verband wolle seinen Mitgliedern natürlich praktische Hilfestellungen zum Handling geben – „wie seinerzeit bei der – weitaus weniger komplexen – Thematik der RDKS-Einführung bei Pkw“. Deswegen habe der Bonner Reifenfachverband in einer „breit angelegten Aktion“ nun auch an die Verbände des Güterverkehrsgewerbes und die Kooperationszentralen des Reifenhandels appelliert, ihre Mitglieder für die Thematik zu sensibilisieren und zusammen mit dem BRV in erster Linie die Fahrzeughersteller um rasche Klärung der offenen Fragen zu bitten, heißt es abschließend.
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