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Automatisierte Fahrfunktionen: Dekra veröffentlicht erste Ergebnisse des Forschungsprojekts Laurin

Nach der Hälfte der Laufzeit stellt die Prüforganisation erste Erkenntnisse des vom Bund geförderten Projekts zur Prüfung höchstkomplexer, automatisierter Fahrfunktionen vor. Als besonders herausfordernd für die Fahrzeuge erweist sich die Anwendung von Schwarmtests.

Mit Schwarmtests auf dem Dekra Lausitzring in Brandenburg werden Fahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen in hoch komplexe Verkehrssituationen gebracht um sicherzustellen, dass sie im realen Verkehr sicher funktionieren. | Bild: Dekra.
Mit Schwarmtests auf dem Dekra Lausitzring in Brandenburg werden Fahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen in hoch komplexe Verkehrssituationen gebracht um sicherzustellen, dass sie im realen Verkehr sicher funktionieren. | Bild: Dekra.
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Claudia Leistritz

In einem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit 2,45 Millionen Euro geförderten Forschungsprojekt namens „Laurin“ untersucht die Kfz-Prüforganisation Dekra seit Mai 2022 gemeinsam mit weiteren Projektpartnern, wie sich automatisierte Fahrfunktionen am besten prüfen lassen. Man plant künftige Tests anhand digitalisierter und automatisierter „szenarienbasierter Versuche“ zu optimieren und erprobt nun das Konzept an der Teststrecke der Dekra am brandenburgischen Lausitzring. Ziel ist es, das automatisierte Fahren auf Grundlage dieser Testdurchläufe abzusichern.

„Automatisierte Fahrfunktionen müssen in komplexen Verkehrsszenarien in Simulationen, aber auch durch reale Tests abgesichert werden. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Automatisierung die Verkehrssicherheit in Zukunft entscheidend voranbringen kann“,

hatte Uwe Burckhard, Leiter Test und Event am Dekra Lausitzring, zu Beginn des Forschungsprojekts gesagt. Und Prof. Dr. Matthias Klingner, Institutsleiter des Fraunhofer IVI und maßgeblicher Initiant des Vorhabens, hatte ergänzt:

„Das gemeinsame Forschungsvorhaben sehe ich als Chance, hochautomatisiertes vernetztes Fahren in den kommenden Jahren sicher auf die Straße zu bringen.“

Nach eineinhalb Jahren, also der Hälfte der Projektlaufzeit, berichteten die mittlerweile fünf Beteiligten von den bis jetzt gewonnenen Erkenntnissen in einer Expertenkonferenz. Das meldet die Prüforganisation in ihrem Pressebericht.

Hochkomplexe Ereignisse durchspielen

Um ausreichend Informationen über das Verhalten der automatisierten Funktionen gewinnen zu können, werden Verkehrsszenarien unterschiedlichster Komplexität, jedoch unter „maximalen Anforderungen“ in sogenannten Schwarmtests durchlaufen. Zum Ziel hat man sich gesetzt, auf der rund 50 Kilometer nördlich von Dresden befindlichen Teststrecke des Stuttgarter Verkehrssicherheitsexperten sämtliche realen, auch komplexesten Straßenszenarien durchspielen zu können. In der Pressemeldung zum Start des Projekts 2022, mit damals noch sechs Testpartnern, wurde das Vorgehen als optimales Steuern beziehungsweise „Orchestrieren eines Schwarms bewegter Testobjekte um das Testfahrzeug“ beschrieben. Dazu ist ein Fahrzeug und Umgebung zum Beispiel per Sensoren erfassender Datenaustausch in Echtzeit erforderlich, den die 5G-Mobilfunktechnologie ermöglicht.

Teststrecken mit modernsten Prüfanlagen

Zur Basis der Nachstellung beliebiger Verkehrssituationen dient die Vielfalt an Strecken am Lausitzring, so zum Beispiel auch die erst letzten Sommer eröffneten flexiblen Citykurse mit „variabel nutzbaren Asphaltflächen für unterschiedlichste Testszenarien“. Das Konzept soll speziell der „Mobilität von morgen“ dienen und ist laut Dekra mit modernsten Testmethoden ganz auf die Prüfung automatisierter und vernetzter Fahrzeuge ausgerichtet. Auf Grundlage des Test-Equipments und des Dekra-Know-how, sagt Konsortialleiter Felix Kocksch, ließen sich die Szenarien immer wieder nachstellen und überprüfen.

So führte beispielsweise als einer der Projektpartner das Fraunhover IVI (Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme) vor, wie aus polizeilichen Unfallberichten aufwendig aufbereitete Unfallszenarien sich mit Hilfe einer auf dem Testgelände lokalisierten Datenbank rekonstruieren lassen. Kocksch meint dazu:

„So können wir Assistenzsysteme oder automatisierte Fahrfunktionen in nachweislich kritischen Situationen testen. Ein reales Unfallgeschehen kann so im Test mit einem modernen Assistenzsystem nachgefahren werden, wobei das System beweist, dass es den Unfall verhindern kann.“

Außerdem lassen sich die Testabläufe laut Bericht zu einem großen Teil automatisieren, so dass sie als Grundlage für das Testen künftiger Funktionen der „kooperativen vernetzten und automatisierten Mobilität“ dienen könnten. Kocksch nennt als Beispiel für den Einbezug der Infrastruktur in die Testumgebung „eine Ampel“, die an andere Fahrzeuge oder Verkehrsteilnehmer Informationen sendet. Das geschehe etwa über „Ampelphasen oder Objekte, die per Sensorik in der Infrastruktur erkannt wurden.“

Entsprechende Tests in dieser Richtung zielt man nun für die zweite Hälfte des Projekts an.

Schwarmtests mit digitalem Zwilling

Einen weiteren Schwerpunkt neben den Teststrecken bieten Schwarmtests, die man laut Meldung seit Projektstart stark weiterentwickelt hat. Dazu wurde das Testgelände mit Hilfe einer mit hochpräziser Vermessungstechnik ausgestatteten Einrichtung befahren und soll anschließend auf Grundlage der erfassten Daten „exakt digitalisiert“ werden. Baut man dann auf diesem Gelände ein konkretes Ereignis auf, zum Beispiel in Bezug auf Streckenlayout und Fahrbahnmarkierung, lassen sich daraus mit Hilfe von Drohnen-Fotos auch schnell entsprechende HD-Karten erstellen.

Diese Vorgehensweise ermöglicht das Nachstellen der Szenarien sowohl in der Wirklichkeit wie auch mit einem digitalen Zwilling, also mit dem auf der Datengrundlage erstellten, virtuellen Modell des Testgeländes. Die Fraunhofer Gesellschaft (Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB) bezeichnet diese Technologie in Bezug auf eine intelligente, automatisierte „Industrie 4.0“-Umgebung, in der Maschinen und Abläufe umfassend digitalisiert und vernetzt sowie selbstgesteuert arbeiten und Daten austauschen, als Schlüsselkonzept und für die Fertigung essentiell.

Projektpartner TraceTronic liefert die Software für die Arbeit am digitalen Doppelgänger des Testgeländes, so dass sich unterschiedlichste Objekt-Bewegungen hierüber bequem simulieren lassen können.

„Das eröffnet uns optimale Möglichkeiten, die realen Tests mit virtuellen Versuchen gegenüberzustellen und direkt vergleichbar zu machen“,

sagt Konsortialleiter Kocksch. Eine Anbindung zur automatisierten Testfallauswertung wurde in dem Projekt auch bereits erprobt, heißt es.

5G-Netz-Ausbau

Ein weitere wichtige Rolle beim „szenarienbasierten Testen im Schwarm“ spielt das 5G-Campus-Netz, das den dazu notwendigen Austausch der Datenmengen sicherstellt. Das Gelände des Dekra Lausitzrings ist den Angaben zufolge schon heute in weiten Teilen mit einem privaten 5G-Netz abgedeckt, das derzeit kontinuierlich erweitert wird. Für die Fortführung des Ausbaus und eine „anforderungsgerechte Konfiguration der 5G-Infrastruktur“ ist der dritte Projektpartner Smart Mobile Labs zuständig.

Schwarmtestdurchlauf

Das Zusammenspiel aller Elemente demonstrierten die Projektbeteiligten Ende September 2023 auf der Veranstaltung „The ADAS Experience“, die der Alzenauer Anbieter von Wissensveranstaltungen rund um Themen der im Umbruch befindlichen Automobilindustrie Carhs GmbH in Zusammenarbeit mit dem ADAC über Fahrerassistenzsysteme organisiert hatte.

Der Schwarmtest fand mit sechs Beteiligten statt: ein „Vehicle under test“ als Testfahrzeug mit modernen Assistenzsystemen, zwei von Fahrrobotern gesteuerte Serienfahrzeuge, ein über elektronische Signale („by wire“) ferngesteuertes Fahrzeug und zwei überfahrbare Plattformen, die mit Soft Targets einen weiteren Pkw und einen Radfahrer simulierten.

„Das Zusammenspiel aus bewegten Objekten im Testszenario punktgenau zu steuern und damit reproduzierbar zu machen, ist dabei die große Herausforderung, und wir haben im Projekt gezeigt, dass es funktioniert“,

sagt Felix Kocksch. Für die Weiterentwicklung der entsprechenden Leitstandlösung, die bereits jetzt alle Objekte „zentral orchestriert und überwacht“, ist der vierte Projektpartner iMAR zuständig. Man plant, die Lösung dann auf Schwärme mit bis zu zwölf Objekten anwenden zu können.

Das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt Laurin startete im Mai 2022. Als Konsortialführer leitet das Stuttgarter Prüfinstitut Dekra das Vorhaben. Weitere Beteiligte sind der Dresdener Standort des Fraunhofer Instituts für Verkehrs – und Infrastruktursysteme IVI und der saarländische Experte für inertiale Mess- und Navigationssysteme iMAR Navigation GmbH. Das unter anderem auf 4G (LTE)-Echtzeitübertragung von Videos und Fahrzeugdatenaustausch spezialisierte Unternehmen Smart Mobile Labs AG aus München, das sich bereits auf den Mobilfunkstandard 5G ausrichtet, ist ebenfalls dabei.

Als fünfter Projektpartner vervollständigt die mit dem automatisierten Testen von Software befasste TraceTronic GmbH aus Dresden das Team. Zu Beginn des Vorhabens 2022 war als sechster Beteiligter noch der Hamburger Zulieferer und Erfassungssoftware- und Sensorenspezialist Ibeo Automotive Systems dabei, der jedoch Medienberichten zufolge im gleichen Jahr Insolvenz anmeldete und im Dezember 2022 in Teilen von dem Experten für Lidar- und Fahrerassistenzsysteme MicroVision übernommen wurde.

An Investitionen für das Projekt Laurin sind insgesamt 4,2 Millionen Euro vorgesehen. Für die gesamte Laufzeit wird die Maßnahme im Rahmen der Innovationsinitiative mFund vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit 2,45 Millionen Euro gefördert.

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