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KIT-Professor bei Wittich: Nur Technologieoffenheit verhindert Deindustrialisierung

Teilehändler Wittich lud Ende Mai zu seinem Coparts Tag, unter anderem um bestehende und zukünftige Antriebslösungen zu diskutieren. Dabei fand KIT-Professor und Motorenspezialist Dr. Thomas Koch deutliche Worte gegen das von der EU beschlossene „Verbrennerverbot“.

Als "Meilensteine einer auf falschen Berechnungen abgestützten Strategie, die eine Deindustrialisierung des ganzen Kontinents zur Folge haben wird", kritisierte Prof. Dr. Thomas Koch (rechts) beim Coparts Tag der Fritz Wittich GmbH den Green Deal der EU und eine drohende Verschärfung der Luftreinhalteverordnung. Links im Bild: Geschäftsführer Fritz Wittich. | Bild: Fritz Wittich GmbH.
Als "Meilensteine einer auf falschen Berechnungen abgestützten Strategie, die eine Deindustrialisierung des ganzen Kontinents zur Folge haben wird", kritisierte Prof. Dr. Thomas Koch (rechts) beim Coparts Tag der Fritz Wittich GmbH den Green Deal der EU und eine drohende Verschärfung der Luftreinhalteverordnung. Links im Bild: Geschäftsführer Fritz Wittich. | Bild: Fritz Wittich GmbH.
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Claudia Leistritz

Ende Mai 2023 veranstaltete der Bielefelder Ersatzteilgroßhändler und Werkstattausrüster Wittich im Namen der Großhändlerkooperation Coparts wieder sein jährliches Event über aktuelle Entwicklungen der Mobilitätsbranche. Fachleute aus rund 200 Werkstätten, von Autohäusern und dem Teilehandel aus der Region Bielefeld trafen sich im Lokschuppen mit namhaften Ausstellern, die dort ihre neuesten Entwicklungen präsentierten. Außerdem wurden in Vorträgen aktuelle Themen erörtert wie die zukünftige Rolle von Verbrennungsmotoren. Dazu hatte das Unternehmen als Gastredner Prof. Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eingeladen, der dort als Spezialist für Verbrennungsmotoren das Institut für Kolbenmaschinen leitet.

Verbrennerverbot gefährdet Industrie

Laut Pressemeldung positionierte sich dabei Prof. Koch deutlich gegen das von der EU beschlossene Verbot der Zulassung neuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab 2035. Das Vorhaben bedeute einen „Angriff auf die individuelle Mobilität“ und ziele regelrecht auf eine Deindustrialisierung des Wirtschaftsstandortes Europa ab. Die erwünschte Dekarbonisierung sei durch elektrifizierte Antriebe praktisch nicht umzusetzen. Aus diesem Grund wandten sich bereits mehrere hundert Wissenschaftler in einem Schreiben an die EU-Parlamentarier um diese darauf hinzuweisen, dass eine „CO2-Einsparung mittels Elektromobilität in vielen Ländern Europas nicht erreicht werden“ könne.

Wie Prof. Koch weiter ausführte, hätten auch die Vorstände der großen Autohersteller diesbezüglich tatsächlich mit dem EU-Kommissar für Klimapolitik Frans Timmermans aus den Niederlanden sprechen wollen, diesen Versuch jedoch „im Nachhinein als reine Zeitverschwendung“ bewertet.

E-Fuels als Lösung

Die nötige Energiewende lasse sich nur mit Technologieoffenheit erreichen, erläuterte Prof. Koch, der zehn Jahre lang bei der Daimler AG an der Entwicklung von Nutzfahrzeugmotoren tätig war. Es werde ignoriert, dass sich die E-Mobilität vor allem für schwere Beanspruchungen nicht eigne, denn:

„Der Fokus auf die E-Mobilität übersieht, dass wir auch große und schwere Maschinen wie Lkw, Baumaschinen oder Schiffe im Dauerbetrieb brauchen.“

Die nötige Energie zum Bewegen solcher Maschinen könne mit Strom nicht aufgebracht werden, so Prof. Koch. Eine Lösung allerdings stellten synthetisch hergestellte Kraftstoffe dar, mit denen sich auch der Bestand an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren betreiben ließe. Würden jedoch unter diesen Umständen die technischen Möglichkeiten von e-Fuels oder (als regenerative, also auf Grundlage von „erneuerbaren Energien“ erzeugte Kraftstoffe) re-Fuels mißachtet, würde damit gleichzeitig der noch bestehende Vorsprung Deutschlands in der Motorentechnik und im Schwermaschinenbau aufgegeben.

Ausverkauf von Wissen

Das bedeute aber in der Folge nicht nur, dass die Motorenhersteller kein Interesse an weiteren Entwicklungen und Investitionen in Europa hätten, sondern dass sich auch der Nachwuchs von der Motorentechnik abwende. Und auf diese Tendenz reagiere bereits das Ausland: „Die Chinesen kaufen aktuell Antriebswissen in der EU auf“.

Am stärksten betroffen vom Verbrenner-Verbot ab 2035 sei jedoch laut Prof. Koch der weniger kaufkräftige Bevölkerungsanteil:

„Wer sich heute über ein altes Auto für wenige Tausend Euro freut, wird sich in 12 Jahren kaum ein neues Elektroauto leisten können.“

Falsche Berechnungen zur Grundlage

Der europäische „Green Deal“ und eine mögliche Verschärfung der Luftreinhalteverordnung bezeichneten laut Koch „Meilensteine einer auf falschen Berechnungen abgestützten Strategie, die eine Deindustrialisierung des ganzen Kontinents zur Folge haben“ werde. Damit würden ganz zwangsläufig nicht nur weite Teile der Industrie, sondern zugleich auch viele Tausend Arbeitsplätze in das Ausland abwandern. Prof. Koch folgert: „Unsere Politik steuert geradezu auf eine Deindustrialisierung Europas zu“.

Auf Scheinrechnungen hereingefallen

Er bezweifle jedoch, dass sich die Protagonisten dieser Lage bewusst seien. „In den Parlamenten in Berlin und Brüssel sitzen fast nur noch Juristen und Pädagogen“. Man habe im Bundestag gerade einmal 15 Naturwissenschaftler und damit Leute vom Fach ausmachen können. Mit geringem Fachwissen ließen sich jedoch die wahren Sachverhalte schwer beurteilen und so sei es unter diesen Umständen leicht „auf die seit Jahren gezielt gestreuten Scheinrechnungen der vermeintlichen Umweltlobby hereinzufallen“ und umso schwerer einzusehen, dass eine Energiewende im Verkehr ohne CO2-neutrale Kraftstoffe nicht möglich sein könne. Er beobachte zwar schon ein Umdenken in manchen Bereichen, es sei aber fraglich, ob die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen noch aufzuhalten seien.

So lasse der hartnäckige Widerstand von Bundesverkehrsminister Volker Wissing wie auch der Widerstand aus einigen anderen Ländern Europas zwar erwarten, dass das Verbrenner-Aus zurückgenommen werde. Aber je länger diese Entscheidung ausbleibe, umso größer werde der Schaden für die Wirtschaft sein, so Koch abschließend.

Zu den re-Fuels läuft derzeit am KIT ein Forschungsprojekt („reFuels – Kraftstoffe neu denken“), an dem laut eigenen Angaben neben mehreren KIT-Instituten auch zahlreiche Partner aus der Energiewirtschaft sowie der Mineralöl-, Automobil- und Zulieferindustrie beteiligt sein sollen. Geleitet wird die Initiative vom „Strategiedialog Automobilwirtschaft BW“ (SDA) des Landes Baden-Württemberg, um die effiziente Herstellung und die Nutzung dieser regenerativen Kraftstoffe zu untersuchen.

Das Projekt erprobt die Verwendung dieser Kraftstoffe in bestehenden Fahrzeugflotten, um, so die Beschreibung, „gesellschaftliche Akzeptanz“ zu erreichen. Dabei werde „die gesamte Wertschöpfungskette vom Energieversorger und der Kraftstoffsynthese über Lieferanten und Systementwickler bis hin zu Motoren- und Fahrzeugherstellern“ in den Blick genommen. „Alle Fahrzeuge – ob alt oder neu – können diese regenerativen Kraftstoffe tanken. Ziel ist es, eine schnelle ergänzende Lösung für eine CO2-neutrale Mobilität zu schaffen“ heißt es dort.

Weitere Informationen zu dem Projekt sind auf der Website des KIT verfügbar.

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