In modernen Dieselfahrzeugen reduziert das Mittel AdBlue in Kombination mit einem SCR-(Selective Catalytic Reduction) Katalysator die Stickoxidemissionen um bis zu 90 Prozent. Nur so lassen sich die in Europa geltenden strengen Grenzwerte einhalten. Der Ulmer Schmierstoff- und Additivspezialist Liqui Moly hat zum Schutz des SCR-Abgassystems nun ein spezielles Pflegemittel herausgebracht, das direkt der Harnstofflösung AdBlue zugesetzt wird und die Katalysatoranlage dadurch vor schädlichen chemischen Reaktionen bewahren kann. „DEF Anti Crystal Additive K“ soll durch Verdampfung bewirkte AdBlue-Rückstände auf der Auspuffoberfläche minimieren, heißt es in der Pressemeldung. Mit der Neuentwicklung reagierte Liqui Moly auch auf den Wunsch von Bauunternehmen und Werkstätten nach einem Produkt, das durch Witterungseinflüsse bedingte Fahrzeugausfälle im Zusammenhang mit dem SCR-System verhindern kann.
AdBlue, auch genannt „Diesel Exhaust Fluid“ (DEF) wird aus dem AdBlue-Tank in entsprechender Dosierung direkt in den heißen Abgastrakt eingespritzt, um die Stickoxide in den Abgasen in Wasserdampf und ungefährlichen Stickstoff umzuwandeln. Doch ohne entsprechende Pflege kann das SCR-Abgassystem schnell geschädigt werden, argumentiert Liqui Moly für sein neues Produkt „DEF Anti Crystal Additive K“. Denn bei der Verdampfung von AdBlue auf der Oberfläche des Auspuffs können sich Rückstände bilden, weil das Wasser schneller verdampft als sich der in der AdBlue-Lösung enthaltene Harnstoff zersetzen kann. So beschreibt es David Kaiser, Leiter Forschung und Entwicklung bei Liqui Moly und verantwortlich für die Neuentwicklung. Das "Anti-Crystal"-Additiv nun kann diesen Effekt minimieren, weil es den „Leidenfrosteffekt" nutzt, der sich einstellen kann, wenn Flüssigkeiten auf stark erhitzte Oberflächen treffen.
Hitze begünstigt Rückstände
Benannt wurde dieses Phänomen nach dem deutschen Gelehrten Johann Gottlob Leidenfrost, der im 18. Jahrhundert erstmals bekanntgab, dass auf einer stark erhitzten Metallplatte auch benetzende Flüssigkeiten nicht gleich komplett verdampfen, weil die sich an der Auflagefläche des Tropfens bildende Dampfschicht den Tropfen „zum Schweben“ bringt und eine weitere Benetzung wie auch die Wärmeübertragung behindert. Die Wirkung lässt sich auch beobachten, wenn ein auf eine ausreichend heiße Herdplatte fallender Wassertropfen wegspringt.
Das Additiv nun bewirke das Einsetzen des Leidenfrosteffekts schon bei geringerer Temperatur und fördere somit eine rückstandsfreie Zersetzung der AdBlue-Lösung. „Durch den Leidenfrosteffekt wird das Entstehen eines Flüssigkeitsfilms auf der Auspuffoberfläche reduziert“, sagt Kaiser.
Harnstoffkristalle können System lähmen
Bei der SCR-Nachbehandlungstechnologie ist das Dosiersystem mit der Pumpe als Herzstück die zentrale Komponente. Rückstände aus der AdBlue-Lösung können hier entstehen, weil AdBlue zu etwa zwei Dritteln aus demineralisiertem Wasser und einem Drittel aus Harnstoff besteht. Wird dieses Gemisch erhitzt, entstehen unter Abspaltung von Ammoniak die beiden organischen Verbindungen Biuret und Tiuret, erläutert Kaiser. Wenn nun das Wasser in den Leitungen oder Dosierventilen verdunstet, bilden sich daraus Harnstoffkristalle, die das AdBlue-System im Extremfall verstopfen. Ergebnis sind unter Umständen Beschädigungen der Pumpe und Einspritzdüsen oder eine Fehlermeldung in der Motorsteuerung.
Um dem entgegenzuwirken, verringert das im neuen Additiv enthaltene Tensid die Oberflächenspannung in der AdBlue-Lösung – das Mittel wird dann beim Einspritzen in das System so fein zerstäubt, dass eine Tropfenbildung nicht zustande kommen kann. „So bilden sich keine störenden Kristalle und Ablagerungen an der Einspritzdüse können verhindert werden.“
Kälte: AdBlue gefriert
Doch das Additiv kann noch mehr. So stellt die relative Kälteempfindlichkeit eine weitere Schwachstelle von AdBlue dar. Damit die Flüssigkeit im SCR-System nicht einfriert, haben Fahrzeughersteller Heizungen vorgesehen, die allerdings nur beim Start des Motors aktiviert werden. Doch ab einer Temperatur von -11,5 °C gefriert die AdBlue-Lösung bereits. Laut ADAC behält der Stoff durch das Einfrieren zwar seine Eigenschaften, wird dadurch also nicht geschädigt. Doch im gefrorenen Zustand kann das Mittel natürlich nicht genutzt werden.
Gegen dieses Einfrieren mindert das neue Additiv daher auch die Kältesensibilität. „Mit unserem Zusatz kann man den Gefrierpunkt auf ungefähr -16°C senken“, meint Kaiser. Das ist vor allem bei Baufahrzeugen wichtig, die oft ungeschützt vor Kälte auf Baustellen stehen und in dieser Lage besonders im Winter von Ausfällen bedroht sind.
Den Angaben zufolge hat gerade dieses Problem zu Entwicklung von DEF Anti Crystal Additive K geführt, weil Bauunternehmen und Werkstätten bei dem Tochterunternehmen der Würth-Gruppe diesbezüglich nach einer Lösung angefragt hätten. Liqui Moly warnt jedoch, dass das Additiv nur vorbeugend wirkt, also nicht im Nachhinein beispielsweise zur Beseitigung von Kristallen eingesetzt werden kann. „Bestehende Kristallisation kann nur mechanisch entfernt werden. In den meisten Fällen bedeutet dies den teuren Tausch von Teilen“, heißt es.
Eine frühzeitige Anwendung scheint demzufolge ratsam: „Deswegen ist Aufklärung hier so wichtig“, schließt Kaiser.
DEF Anti Crystal Additive K ist im 2,5 Liter-Kunststoffgebinde erhältlich und eignet sich den Angaben zufolge zur dauerhaften Anwendung. Das Mittel wird der AdBlue-Lösung im Verhältnis 1:400 (somit 0,25 Prozent) direkt in den AdBlue-Tank „idealerweise nach dem Befüllvorgang“ beigegeben. 25 ml reichen für 10 l AdBlue, 250 ml reichen für 100 l AdBlue, ein Gebinde von 2,5 l ist für 1.000 l AdBlue ausreichend. Außerdem warnt der Hersteller noch, das Mittel keinesfalls versehentlich dem Diesel-Kraftstoff beizumischen.
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