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Erzwungener Neustart

Stolle Nutzfahrzeugtechnik in Stuhr bei Bremen ist seit über zehn Jahren Servicepartner für Renault Trucks und Volvo Trucks. Jetzt wurde der Vertrag gekündigt. Doch ihre Kunden animierten sie weiterzumachen.

Bilder: T. Pietsch
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Thomas Pietsch

Nein, man kann nicht behaupten, dass diese Herren auf ihre bald ehemalige Zentrale gut zu sprechen sind. Stolle Nutzfahrzeugtechnik in Stuhr bei Bremen ist aktuell Servicepartner von Volvo Trucks und Renault Trucks. Und man könnte sagen, dass sie Opfer der Netzumstrukturierung sind, die Volvo Trucks und seine Konzernmarke Renault Trucks gerade durchlaufen. Die beiden Herren heißen Ralf Paschilk und Andreas Graf. Sie sind die geschäftsführenden Gesellschafter der Stolle Nutzfahrzeugtechnik GmbH & Co. KG. Und sie sind angefressen.

Das hört sich dann so an: „Wir sind nicht unglücklich, dass der Vertrag mit Volvo und Renault nicht verlängert wird. Um ehrlich zu sein, haben wir die Gängelung durch diesen Konzern satt“, poltert Graf. Und Paschilk steht ihm bei. Er berichtet zum Beispiel von Garantieanträgen, die wegen Formfehlern in Ismaning (der Sitz von Volvo Trucks Deutschland) abgelehnt wurden. „Und dann wird auch nicht nachverhandelt. Abgelehnt ist abgelehnt. Nach dem Motto: Lern‘ es halt für‘s nächste Mal. Diese Arroganz der Leute hat uns immer auf die Palme gebracht“, ergänzt Paschilk.

Großer Brocken vom Umsatz

Andererseits steht fest, dass an der Vertragspartnerschaft auch einiges an Umsatz hängt. Rund 40 Prozent des Umsatzes, schätzt Paschilk, werden Ende des Jahres, wenn der Vertrag mit Volvo und Renault ausläuft, wegbrechen. Ein ganz schön großer Brocken, der Grund genug wäre, das Geschäft aufzugeben. Demgegenüber steht ein Kostenblock von über 40.000 Euro jährlich, die sich aus der Partnerschaft mit Volvo Trucks ergeben, beispielsweise für EDV-System, Zertifizierungen und Schulungen.

„Anfangs waren wir der Meinung, dass es das Beste ist, aufzuhören“, gibt Paschilk zu. Ein neuer Impuls kam dann aus unerwarteter Richtung. „Unsere Kunden haben uns quasi dazu überredet weiterzumachen“, berichtet er. Dann haben die beiden Geschäftsführer ein Konzept erstellt und schließlich fiel der Entschluss weiterzumachen. Anschließend hat man sich ein Grundstück gesucht. Fündig geworden ist man vier Kilometer vom jetzigen Standort. Das Grundstück ist obendrein noch gut 4.500 Quadratmeter größer als der aktuelle Standort, ebenfalls mit bestem Autobahnanschluss. Dann wurde noch einmal mit Ismaning Kontakt aufgenommen, um mitzuteilen, dass man eine neue Werkstatt baue. Auch bot man an, die beiden Renault- und Volvo-Verkäufer, die sowieso schon ihre Büros auf dem Gelände von Stolle Nutzfahrzeugtechnik haben, zu übernehmen und sich somit vom Servicepartner zum Autohaus zu vergrößern. Auch hätte man noch eventuelle bauliche Ansprüche des Nutzfahrzeugkonzerns berücksichtigen können und wollen.
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Trennung seit Ende März definitiv

Doch am letzten Tag der gesetzten Frist, dem 31. März 2014, rief um 18:00 Uhr der zuständige Volvo-Mitarbeiter aus der Zentrale an und teilte mit, dass die Vertragsauflösung bestehen bleibt. Somit war die Trennung von den beiden Lkw- Marken definitiv. Der Plan von Volvo Trucks sah eigentlich vor, eine eigene Niederlassung zu bauen. Das ist nach Kenntnisstand von Graf und Paschilk aber bis heute noch nicht vollzogen. Der ursprünglich geplante Grundstückskauf sei von Volvo nicht ausgeführt worden. Jetzt wollte PROFI Werkstatt natürlich wissen, ob bei Stolle Nutzfahrzeugtechnik die Tür für Volvo und Renault jetzt verrammelt ist. Ein bisschen kleinlaut mussten Paschilk und Graf dann eingestehen, dass das noch nicht gänzlich der Fall ist. „Würde ein vernünftiges, langfristiges Angebot kommen, würden wir uns das natürlich überlegen. Aber einen Lückenbüßer werden wir nicht geben“, erklärte Graf. Da sind sich beide einig.

Auf den ersten Blick sind Graf und Paschilk ein ungleiches Gespann. Graf ist gelernter Steuerfachmann und arbeitete rund 15 Jahre in einem Steuerbüro, ehe er zusammen mit Günther Stolle eine Lkw-Vermietung gegründet hat und gleichzeitig die Geschäfte des Autohauses Stolle, dem Vorläufer und Namensgeber der heutigen Nutzfahrzeugwerkstatt. Im Autohaus Stolle traf Graf auf Paschilk, den gelernten Schiffbauer, der als Geselle eingestiegen ist und sich zum Werkstattleiter entwickelt hat. Als das Autohaus Stolle 2005 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, fragte der Kaufmann Graf den Techniker Paschilk, ob er mit ihm zusammen, den Laden übernehmen wolle. Daraufhin wurde am 1. Januar 2006 Stolle Nutzfahrzeugtechnik gegründet, die damals schon Servicepartner von Renault Trucks und Volvo Trucks war. Nun folgt also der nächste Schritt. Der Pachtvertrag mit der heutigen Werkstattimmobilie ist gekündigt, Ende des Jahres werde man in die neue Werkstatt umziehen. Eine spannende Aufgabe. Dort will sich Stolle Nutzfahrzeugtechnik als freie Werkstatt etablieren und seinen Focus noch stärker als heute auf die Sattelauflieger und Lkw-Aufbauten richten. Das Angebot der Werkstatt kann sich aber bereits heute sehen lassen. So setzten die Bremer die Volvo-Getriebe instand und haben auch das teure Equipment dafür angeschafft. Das bringt der Werkstatt überregionale Aufträge ein. Auch die Rahmen- und Karosserieausrichtung gehört zu den Leistungen der Nutzfahrzeugwerkstatt. Noch keinen Bedarf hat man jedoch, was die Kältetechnik angeht. Zwar baut man Standklimaanlagen und -heizungen ein, doch an die Kältemaschinen der Kühl-Lkw gehe man nicht ran.

Die Werkstatthalle umfasst momentan sechs Tore mit Durchfahrtsmöglichkeit, darin integriert sind zwei Arbeitsgruben. An der einen Stirnseite sind unter der rund 6,5 Meter hohen Decke die Behälter für Altöl, Motoröl- und Schmiermittel untergebracht, die über Zapfpistolen entnommen werden können. Auf der einen Seite der Tore sind per Schlauchaufroller Druckluftanschlüsse für jede Arbeitsbahn vorhanden. Die andere Stirnseite beherbergt das Lager und die Teileausgabe. Etwas verloren steht auf der Hof-Rückseite der Werkstatt der Bremsenprüfstand, geschützt durch ein Wellblechdach.
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Was alles anders wird

In der neuen Werkstatt wird das alles anders. Der Bremsenprüfstand wird integriert, das Lager, das jetzt noch provisorisch in die Werkstatthalle gezimmert wurde, bekommt eigene Räumlichkeiten. Allerdings wird man sich rein nominell verkleinern, denn die neue Halle wird zunächst mit drei Werkstattbahnen gebaut. Die Anzahl der Gruben bleibt mit zweien konstant. „Aktuell wird in der Werkstatt noch viel Raum durch dort lagernde Altlasten blockiert. Das wird es in der neuen Halle nicht mehr geben. Deshalb brauchen wir weniger Raum“, erläutert Paschilk. Und natürlich agiert man zunächst erst mal abwartend und schaut, wie die neue Werkstatt angenommen wird und ob die Kunden ihre Versprechen halten werden. „Wir haben es mit dem Architekten so geplant, dass wir die Werkstatt problemlos erweitern können“, gibt Paschilk zu verstehen. Freuen tun sich die beiden Geschäftsführer auch auf die neuen Büroräume, die dann neue Möbel bekommen und mehr Platz für alle bieten.

Mitnehmen in die neue Werkstatt werden Paschilk und Graf auch die mobilen Werkzeuge sowie die 14 Mitarbeiter (davon drei Auszubildende und zwei Meister) und ihre bestehenden Geschäftsbeziehungen. Zum Beispiel die zum Nutzfahrzeugteilehändler Europart, mit dem Stolle Nutzfahrzeugtechnik seit ein paar Jahren zusammenarbeitet. Rund 75 Prozent seines Teileeinkaufs wickelt die Werkstatt über Europart ab. „Mir ist ein Fall aus jüngster Vergangenheit noch positiv in Erinnerung, da hatten wir einen Radlagerschaden und ich hatte mich schon gewundert, dass Europart hier in Bremen alle Teile verfügbar hatte. Und rund eine Stunde nachdem wir angerufen hatten, waren die Teile auch schon da“, erzählt Paschilk. Neben Original-Ersatz- und Verschleißteilen bezieht die Werkstatt auch Verbrauchsmittel und Teile der Europart-Eigenmarke. „Im Prinzip sind wir so lange treue Kunden, wie alles gut läuft und wir nicht über den Tisch gezogen werden“, verrät Graf. Das war nämlich bei dem Teilehändler, mit dem die Stuhrer Werkstatt zuvor zusammengearbeitet hat, der Fall. Bei stichprobenartigen Kontrollen der Preise ist damals aufgefallen, dass diese deutlich über dem Marktniveau lagen. Also hat man die Zusammenarbeit eingestellt.

Zwei Probleme wird man aber mit in die neue Werkstatt nehmen: Das eine ist die sehr wellenförmig verlaufende Auslastung der Werkstatt, das andere die sich schwierig gestaltende Personalbeschaffung. „Früher verliefen die Auslastungsschwankungen eher saisonal. Da konnte man auch gut die Urlaubsplanung dran ausrichten“, erinnert sich Paschilk. „Heute ist es total unberechenbar geworden. Deshalb haben wir mit unseren Mitarbeitern Zeitarbeitskonten eingeführt“, liefert Paschilk auch gleich die Lösung. Und falls die Zeitkonten mal überlaufen, werden die Überstunden auch ausbezahlt. Das andere Problem der Nachwuchs- und Personalrekrutierung lässt sich nicht so einfach lösen. Erst in diesem Frühjahr habe man eine Anzeige in einer lokalen Tageszeitung aufgegeben und einen Kfz-Mechatroniker gesucht. Die Resonanz: Nicht einer hat sich gemeldet. Und das obwohl die Löhne bei Stolle nach eigenen Aussagen eigentlich recht gut seien.

Eine sinnvolle Alternative

Der Tatsache, dass in der neuen Werkstatt keine Markenbindung mehr besteht, haben sich Paschilk und Graf auch gestellt und sind bei einem aufstrebenden Gemeinschaftsunternehmen fündig geworden. Zum 1. Januar 2015 werden sie Mitglied des Werkstattkonzepts Alltrucks, das von Bosch, Knorr-Bremse und ZF ins Leben gerufen wurde. „Wir erwarten uns davon zum einen eine markenunabhängige technische Unterstützung und den Zugang zu guten Mehr-Marken- Diagnosegeräten. Außerdem hoffen wir dadurch natürlich auch neue Kunden ansprechen zu können, da Alltrucks in Sachen Werbung Gas geben wird“, sagt Graf. Und Paschilk ergänzt: „Wir sehen es als eine sinnvolle Alternative zu unserer bisherigen Servicepartnerschaft mit Volvo und Renault. Wir werden weiterhin Werkstattdienstleistungen auf einem sehr hohen Niveau anbieten können, aber zu einem deutlich günstigeren Preis.“ Nach aktuellen Berechnungen wird Stolle Nutzfahrzeugtechnik in der Lage sein, seinen Stundenverrechnungssatz von derzeit 73 Euro auf unter 60 Euro senken zu können. Ein gutes Argument für alte und neue Kunden.

Thomas Pietsch

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Artikel Erzwungener Neustart
Seite | Rubrik Werkstattporträts
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