Werbung
Werbung

Knorr Bremse: Mit Power von 80 auf 0

In das neue Entwicklungszentrum hat Knorr-Bremse 90 Millionen Euro investiert. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Der Neubau hat viel Platz und Technik vom Feinsten.

Mit dem 3D-Pulser für Nutzfahrzeugsysteme simulieren die Ingenieure Fahrten auf unterschiedlichem Untergrund. | Foto: Knorr-Bremse
Mit dem 3D-Pulser für Nutzfahrzeugsysteme simulieren die Ingenieure Fahrten auf unterschiedlichem Untergrund. | Foto: Knorr-Bremse
Werbung
Werbung
Christine Harttmann

Nach knapp zwei Jahren Bauzeit hat die Knorr-Bremse AG in München Ende Juni im Beisein von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ihr neues Entwicklungszentrum offiziell eingeweiht. Beim Festakt dabei waren neben Seehofer auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter sowie zahlreiche Gäste aus Politik und Wirtschaft. „Für ein rohstoffarmes Land wie Bayern sind Forschung und Innovation der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand auch für künftige Generationen“, freute sich Bayerns Ministerpräsident. Der Freistaat benötige mehr solcher Ankerinvestitionen von großen Unternehmen.

Größte Einzelinvestition
Auf einer Fläche von knapp 17.000 Quadratmetern und über fünf Etagen verteilt sollen nach dem Willen der Unternehmensleitung 350 Ingenieure und Techniker interdisziplinär an innovativen Lösungen arbeiten, um die Mobilität auf der Straße und auf der Schiene sicherer und effizienter zu machen. „Das Entwicklungszentrum ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte von Knorr-Bremse“, erklärte Klaus Deller, Vorsitzender des Vorstands der Knorr-Bremse AG. Insgesamt 90 Millionen Euro habe der Bremsenspezialist in das Entwicklungszentrum investiert. Insgesamt 100 moderne Prüfstände und Testeinrichtungen stünden den Ingenieuren des Konzerns künftig zur Verfügung, um unter weltweit einmaligen ­Bedingungen die neuen Bremssysteme für Schienen- und Nutzfahrzeuge in der Entwicklung zu testen.

Die Büros der Entwickler liegen in dem Neubau gleich neben den Prüfständen für die Technik. Der Hersteller erwartet, dass sich das auf die Innovationszyklen positiv auswirkt. Heinz Hermann Thiele, der Eigentümer und Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats von Knorr-Bremse, ist auf den Neubau besonders stolz: „Wir haben seit 2010 mehr als 1,5 Milliarden Euro für die Entwicklung neuer Produkte und Systeme aufgewendet. Zur Zukunftssicherung investierte der Konzern in diesem Zeitraum außerdem über 1,3 Milliarden Euro in den Auf- und Ausbau von Entwicklungs- und Fertigungsstandorten weltweit.“ Von München aus will Thiele dann die Entwicklungen in die Welt hinaus tragen. Das neue Entwicklungszentrum lege dafür eine gute Basis, ist der Firmeneigentümer überzeugt.

In den Werkstätten und Laboren forschen die Experten unterschiedlicher Fachrichtungen  gemeinsam in interdisziplinären Gruppen. So kommt das Know-how über Werkstoffe aus dem zentralen Werkstofflabor. Von dem dort angesiedelten Wissen erhofft sich der Bremsenkonzern eine bessere und objektivere Interpretation von Messergebnissen. Die Experten in diesem Teil des Entwicklungszentrums untersuchen mit unterschiedlichen Prüfgeräten die Eigenschaften der verschiedenen Werkstoffe,  um zu eruieren, inwieweit sich diese dann für den jeweils vorgesehenen Anwendungsfall eignen. Zusätzlich berät die Abteilung die Ingenieure immer dann, wenn es darum geht, einen geeigneten Werkstoff für ein bestimmtes Einsatzgebiet zu finden. Bei den Untersuchungen verteilt sich die Analysearbeit des Labors auf drei große Fachgebiete: Metalle, Oberflächen und Polymere. Die Experten befassen sich aber nicht nur mit den Eigenschaften von Werkstoffen. Zu ihrem Repertoire gehört außerdem die Untersuchung und der Test von Bremsbelagen und Trockenmitteln.

Gerade in der Nutzfahrzeugbranche geht es allerdings heutzutage längst nicht mehr nur darum, wirkungsvolle und zuverlässige Bremssysteme zu entwickeln. Immer stärker rückt daneben auch die Steuerung der Bremsen in den Vordergrund, auch und gerade weil sich Fahrerassistenzsysteme sowie automatisiertes Fahren immer mehr durchsetzen.
[]
Vernetzung der Steuersysteme
Für den Bremsenspezialisten aus München bedeutet das, dass er sich zunehmend mit der intelligenten Vernetzung der Steuersysteme für Bremsen mit weiteren Subsystemen, wie denen für die Lenkung, auseinandersetzen muss. Wenn es nach den Vorstellungen von Knorr-Bremse geht, sollen auf diese Weise Fahrfunktionen wie die aktive Spurhaltung auf Autobahnen oder das Platooning, also das automatisch gesteuerte Kolonnenfahren in geringem Abstand, sowie autonomes Fahren auf dem Speditionshof möglich werden.

Damit die technischen Neuerungen möglichst schnell auf der Straße oder auch auf der Schiene landen, gibt es im Entwicklungszentrum, vornehmlich in den unteren Geschossen des Gebäudes, etliche moderne Prüfstände und Testeinrichtungen. Der sogenannte 3D-Pulser für Nutzfahrzeugsysteme, mit dem die Ingenieure Fahrten auf unterschiedlichem Untergrund simulieren können, ist im Keller angesiedelt. Die Konstrukteure können an der Anlage definierte Bremsmomente einleiten und so den jeweiligen Bremsfall simulieren. 1,2 Millionen Euro habe der Bremsenhersteller für den Prüfstand ausgegeben, berichtet Jens Fricke, Direktor R&D, bei der Führung durch das Entwicklungszentrum.

Tests mit großen Bremsen
Ein weiteres Highlight für die Nutzfahrzeugforschung ist der NVH-Schwungmassenprüfstand (NVH steht für Noise, Vibration und Harshness). Auf der 92 Tonnen schweren Anlage laufen Tests mit großen Bremsen mit einer Bremskraft von bis zu 30 kNm. Kurzzeitig lässt sich an dem Prüfstand ein 80 Stundenkilometer schneller 41-Tonnen-Lkw-Zug mit mehr als 10.000 PS herunterbremsen. Um die Geräuschemission der Bremsen zu testen, koppeln die Messingenieure die Prüfkabine für die Achsen und Bremsen so ab, dass dorthin weder Schall noch Schwingungen übertragen werden. Dabei erproben sie dann das Geräusch- und Vibrationsverhalten der Bremsen sowie der kompletten Fahrzeugachsen. Weil auch dieser Prüfstand einmalig sein soll auf der Welt, sieht sich Knorr-Bremse damit als wichtigen Vorreiter für die Senkung der Lärmemissionen im Straßengüterverkehr.

Und last but not least gibt es dann noch einen Schwungmassen-Reibungsprüfstand, auf dem Vollbremsungen simuliert werden können. Die Untersuchung gibt Aufschluss darüber, inwieweit sich die Bremsscheiben für Nutzfahrzeuge unter Extrembedingungen verformen und ab wann Risse auftreten. Für das Material ist das der absolute Härtetest. In kleinen Einzelkabinen werden Vollbremsungen am laufenden Band simuliert. So lange, bis die Bremse schließlich den Geist aufgibt. Und das kann eine ganze Weile dauern.

Christine Harttmann

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel Knorr Bremse: Mit Power von 80 auf 0
Seite | Rubrik Report
Werbung
Werbung