Synthetische Motoröle: Erhebliche Vorteile gegenüber mineralischen Ölen - Untersuchungen von Shell und Castrol zeigen deutliche Verbesserungen: Wie geschmiert?
Synthetische Schmierstoffe gelten gemeinhin als gute Alternative zu den herkömmlichen mineralischen. Sie stehen im Ruf, den Motor zu schonen und gleichchzeitig auch noch Sprit zu sparen. Dafür sind sie aber auch deutlich teurer als die herkömmlichen mineralischen Motoröle. Es stellt sich also die Frage, was denn nun unter dem Strich günstiger ist: die synthetische Variante, weil sie in der Anschaffung zwar teurer ist, aber am Ende doch mehr Geld einspart, als sie kostet oder die mineralische Variante, weil sie von vornherein günstiger ist und für den Motor nicht so viel schlechter?
Die zu diesem Thema relevanten Untersuchungen kommen allerdings zumeist von Seiten der Ölhersteller. So hat die Castrol-Forschung auf dem Prüfstand einen Vergleich gefahren zwischen einem synthetischen Leichtlauföl und einem herkömmlichen mineralölbasierten Motoröl. Leichtlauföle sind speziell entwickelte synthetische Motoröle, die die Reibung im Motor, an der Kurbelwelle, an den Kolben, in den Zylindern und an der Nockenwelle verringern und so den Kraftstoffverbrauch senken sollen.
Das Ergebnis seiner Untersuchung hat der Motorölhersteller veröffentlicht. Demnach wird beim synthetischen Leichtlauföl der nötige Öldruck im Motor bei einer Außentemperatur von -10 Grad Celsius nach etwa 1,5 Stunden erreicht. Beim mineralischen Öl dauert das in ungefähr doppelt so lange. Der volle Öldruck war im Castrol-Versuch nach vier Stunden erreicht. Das mineralische Vergleichsöl benötigte drei Stunden länger. Zu lang für einen schonenden Motorstart, meinen die Castrol-Ingenieure. Entlastet werde auch die Batterie, weil das Leichtlauföl den Stromverbrauch beim Start um fast ein Viertel reduziere.
Doch was sagen die Fahrzeughersteller zu alldem? Eine allgemein gültige Aussage dazu fällt ihnen schon deswegen schwer, weil es weder für das synthetische noch für das mineralische Öl eine genaue Spezifikation für die Zusammensetzung gibt. „Der Begriff ‚synthetisch‘ oder auch ‚vollsynthetisch‘ wird gerne im Zusammenhang mit Motorölen verwendet, ist aber technisch nicht definiert“, weiß Renato Andorf. Der Ingenieur ist bei der Daimler AG Produktverantwortlicher für die Motorenöle. Der Begriff werde daher unterschiedlich ausgelegt und verwendet. Jeder Motorölanbieter bezeichne sein Produkt gerne als synthetisch oder vollsynthetisch und finde meist auch einen Grund dafür, das tun zu können, weil jede Additivkomponente, die dem Öl zugesetzt wird, synthetisch ist. „Es gibt unterschiedliche Definitionen für den Begriff Syntheseöl“, bestätigt auch Harald Geyer von der MAN Truck & Bus AG.
Technisch gesehen werden die Grundöle, die als Basis-Komponenten bis zu 80 Prozent des Motoröls ausmachen, nach ihrem Schwefel-Gehalt und dem chemischen Sättigungsgrad unterschieden und entsprechend ihrer Zusammensetzung in fünf Gruppen klassifiziert. Demnach sind die mineralischen Grundöle in Gruppe eins eingestuft. Je nach Intensität ihrer chemischen Nachbehandlung können diese mineralischen Grundöle noch aufgewertet werden. Dabei werden Schwefel-Gehalt und Sättigungsgrad durch eine entsprechende Nachbehandlung reduziert. Die Produkte, die dabei entstehen, sind dann in die Gruppen zwei und drei eingestuft. Nur die Öle der beiden letzten Gruppen vier und fünf werden aus ihren einzelnen chemischen Bausteinen jeweils neu synthetisiert und gelten damit dann als reine Syntheseöle.
Bei den Ölen der Gruppen drei bis fünf sei die Temperatur- und Oxidationsbeständigkeit besser als bei den mineralischen Ölen der Gruppe eins und zwei, sagt Andorf. Das wirke sich auch positiv auf die Alterungsbeständigkeit der Öle aus und es seien längere Ölwechselintervalle möglich. Weiterhin sei der Verdampfungsverlust bei höherwertigen Grundölen niedriger, was den Ölverbrauch reduziere.
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Sehr gutes Kälteverhalten
Geyer schreibt den synthetischen Ölen sehr gutes Kälteverhalten und ein optimiertes Fließverhalten zu. Daneben spricht auch er von einem geringeren Verdampfungsverlust sowie einer ausgezeichneten Alterungsbeständigkeit. Außerdem zeigt seine Erfahrung, dass das Viskose-Temperatur-Verhalten ausgesprochen gut ist.
Dass ein Motoröl, das Reibungsverluste im Motor minimiert, durchaus auch Einfluss auf seinen Kraftstoffverbrauch hat, leuchtet ein. „Kraftstoffspareffekte lassen sich mit Syntheseölen durchaus erzielen und insofern auch ein besserer Wirkungsgrad“, berichtet Geyer. Ein weiterer Vorteil von synthetischen Ölen sei, dass es zu keiner Schlammbildung komme und auch die Ablagerungen im Turbolader deutlich reduziert würden. Auf die Sauberkeit der Triebwerke und Kolben haben Syntheseöle ebenfalls einen sehr positiven Einfluss. Ein weiterer Vorteil für den Motor ist seine schnelle Durchölung beim Kaltstart, das macht ihn unempfindlicher gegenüber Scherverlusten und reduziert die Reibungsverluste im Inneren.
Motorprüfungen bei MAN, bei denen ein synthetisches Referenzmotorenöl im Lkw-Motor mit Standard-Mineralölqualität mit US-Spezifikation verglichen wurde, hätten gezeigt, dass sich die synthetische Variante hinsichtlich der Sauberkeit der Bauteile, der Ablagerungsneigung und dem maximal erreichbaren Ölwechselintervall gegenüber dem mineralischen Öl deutlich positiver auswirkte, erklärt Geyer weiter.
Allerdings, so Andorf, sei die Art des verwendeten Grundöls nicht die allerwichtigste Einflussgröße. Die Erfahrung des Produktverantwortlichen von Daimler zeigt, dass für eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs eher die Viskosität des Öls, der Viskositätsmodifier und die richtige Wahl von Reibminderungsadditiven entscheidend ist. Der Qualität des Grundöls schreibt er eher eine ergänzende Wirkung auf die Langzeitstabilität des Öls zu.
Schmieren und schützen
Eine Auffassung, die MAN-Spezialist Geyer bestätigt: „Die Additivierung ist extrem wichtig, da Motorenöle nicht nur schmieren, sondern auch schützen müssen.“ Gerade die Zusatzstoffe in den Schmierstoffen hätten eine ganz erhebliche Auswirkung auf die Qualität des Öles. Das Motorenöl übernehme auch beim Verschleiß- und Korrosionsschutz wichtige Funktionen. Welche Additive allerdings dem jeweiligen Motoröl beigemischt seien, darüber lasse sich keine allgemein gültige Aussage treffen. Speziell bei den für Lkw vorgeschriebenen Heavy-Duty-Motorenölen sei der Anteil dieser Performance-Additive generell sehr hoch, so Geyer weiter. Bei Lkw-Motoren empfiehlt der Spezialist von MAN deswegen auch, ausschließlich diese Motorenöle auf Basis der ACEA-E-Kategorien zu verwenden. Schließlich könnten die synthetischen Schmierstoffe neben vielen anderen Maßnahmen nicht nur im Motor selbst, sondern im gesamten Antriebsstrang helfen, Kohlendioxid einzusparen.
Christine Harttmann
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