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Noch sind Lampen ein Verbrauchsgut

Interview mit Michael Willacker, Leiter des Bereichs Halogen-Autolicht bei Osram, über die Technik hinter der OEM- und Nachrüstlampe „Truckstar Pro“ und den zukünftigen Einsatz von LED-Scheinwerfern in Nutzfahrzeugen.

Links die Coiled- Coil-Wendel, rechts die deutlich hellere Single-Coil-Technik der „Truckstar Pro“. | Bilder: Osram
Links die Coiled- Coil-Wendel, rechts die deutlich hellere Single-Coil-Technik der „Truckstar Pro“. | Bilder: Osram
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Thomas Pietsch

PROFI Werkstatt: Auf der Automechanika haben Sie die überarbeitete Nutzfahrzeug-Lampe „Truckstar Pro“ vorgestellt. Was hat sich im Vergleich zur Vorgängerlampe verändert?
Michael Willacker: Es wurde hauptsächlich die Vibrationsfestigkeit verbessert. Technisch gab es keine größeren Änderungen. Wir haben ja beim Lkw das Thema, dass durch die großvolumigen Motoren die Vibrationen zum Teil sehr stark sind. Und dann natürlich die Einsatzbedingungen, gerade im Bereich Bautransporte, wo Schock und Vibrationen ein Thema für die Lampen sind. Wie haben Sie die höhere Vibrationsfestigkeit erreicht? In der Hauptsache sind das die Wendelkonstruktion und das Gestell. In den Lampen sind sogenannte Gestelle vorhanden, in die die Wendel dann eingeschweißt wird. Diese Gestelle plus die Wendel bilden ein System. Und dieses System hat gewisse Resonanzpunkte. Gute Vibrationsfestigkeit erreicht man im Wesentlichen dadurch, dass man versucht, die Resonanzpunkte der Lampe außerhalb des Bereichs der im Betrieb des Fahrzeugs auftritt, zu verschieben.

Das klingt sehr theoretisch. Könnten Sie bitte noch ein bisschen weiter ausholen.
Wenn Sie mit dem Lkw oder dem Bus fahren, treten im Betrieb verschiedene Vibrationen auf, die das ganze Innenleben der Lampe zum Schwingen anregen. Die normalen Bereiche liegen zwischen 10 und 1.000 Hz. Innerhalb dieses Bereichs versucht man, möglichst wenige Resonanzpunkte zu haben. Und bei den Resonanzpunkten, die sich nicht vermeiden lassen, versucht man die Konstruktion so zu gestalten, dass die Resonanzüberhöhung nicht so hoch ist. Damit sind die Ausschläge gemeint, die die Wendel beziehungsweise das Gestell machen.

Was passiert bei einer Resonanzüberhöhung denn genau?
Wenn man durch das Frequenzspektrum durchfährt, dann sieht man, dass die Wendel in X-, Yund Z-Richtung unterschiedlich stark ausschlägt. Das Charakteristikum von so einer Resonanz ist eben, dass Sie ein lokales Maximum in der Auslenkung bekommen. Solange das innerhalb eines gewissen Bereichs bleibt, ist das nicht weiter schlimm. Aber wenn der Draht dabei aus dem elastischen Bereich herausgebracht wird, das heißt wenn die Auslenkung so groß ist, dass er sich dauerhaft verformt, wird die Wendel überdehnt. Sie können sich das wie die Feder eines Kugelschreibers vorstellen: Die können Sie auseinanderziehen und sie zieht sich wieder zusammen. Wenn Sie aber den elastischen Bereich verlassen, überdehnen Sie die Feder und dann geht die nicht wieder in die ursprüngliche Form zurück. Und so ist das bei der Wendel auch.

Ist die Lampe in solchen Fällen dann sofort kaputt? Oder verkürzt sich nur die Lebenszeit?
Die Konsequenz ist, dass die Wendel ihre Geometrie verliert. Das heißt, die Scheinwerfer funktionieren dann nicht mehr so gut, weil das Licht nicht mehr dort herkommt, wo es herkommen soll. Und zweitens ist mit diesen Wendelverformungen meist das Problem verknüpft, dass einige Windungen sich zu nahe kommen und sich dann gegenseitig zu sehr aufheizen, was die Lebensdauer verkürzt.

Wie lange ist denn die Lebensdauer im Durchschnitt und wodurch wird diese begrenzt?
Ein Glühdraht wird in der Lebensdauer dadurch begrenzt, dass aus ihm Wolfram abdampft. Gleichzeitig ist es aber so, dass je höher Sie die Temperatur treiben, desto mehr Licht kriegen Sie im sichtbaren Bereich aus der Wendel heraus. Das Problem ist also, je mehr Licht, desto höher ist auch die Abdampfungsrate des Wolframs und desto kürzer ist die Lebensdauer. Über diese Parameter kann man Lampen quasi vom Design her einstellen. Man kann also eine Lampenkonstruktion entweder auf Lebensdauer oder auf Lichtleistung auslegen.
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Im Nutzfahrzeug hat man ja des Öfteren mit Spannungsschwankungen im Bordnetz zu kämpfen. Können sie diesen „Attacken“ auch technologisch begegnen?
Nein, da wirkt nur die Physik. Eine Wendel kann man leider nicht so designen, dass sie Spannungsschwankungen ausgleichen kann. Das gefährliche bei Spannungsspitzen ist, dass man die Wendel zum Durchbrennen bringen kann, weil die dabei entstehenden Temperaturen so hoch sind, dass das Wolfram schmilzt. Generell gibt es eine Faustformel, die besagt: Fünf Prozent höhere Spannung halbiert die Lebenszeit, fünf Prozent niedrigere Spannung verdoppelt die Lebenszeit der Lampe. Das gilt für den stabilen Betrieb. Bei Spannungsspitzen hängt die Wirkung neben der Höhe der Spannung auch von der Form und der Dauer der Spannungsspitze ab.

Wo ist der Unterschied zwischen der „Truckstar Pro“ und der „Osram Original Line“, ebenfalls eine Halogen-Scheinwerferlampe für Nutzfahrzeuge?
Die Original Line hat eine sogenannte Coiled- Coil-Wendel. Der Glühdraht wird dabei doppelt gewendelt. Um nochmal zum Kugelschreiber zurückzukommen: Sie haben ein Primärgewickel, dargestellt durch eine ganz lange Kugelschreiberfeder, und das wickeln Sie um ihren Finger herum. Dann haben Sie so ein Coiled-Coil-Design. Die Truckstar hat ein sogenanntes Single-Coil- Design, das heißt es gibt hier nur eine Wendelung so wie Sie es von Autolampen (12V) her kennen.

Welche Vor- oder Nachteile hat die Coiled-Coil- Wendel gegenüber der Single-Coil-Konstruktion?
Der Nachteil des Coiled-Coil-Verfahrens ist, dass die Lichteigenschaften nicht so gut sind, wie wenn man nur einmal wickelt. Der Grund für Coiled-Coil ist der: Man hat dadurch den für 24-Volt-Typen längeren, dünneren Draht als bei 12-Volt- Typen vernünftig untergebracht. Das ist der Ursprung für diese Technik. Der Fortschritt in Richtung Single-Coil war im Wesentlichen durch die Metallurgie und die Wendel-Wickel-Technik getrieben. Der Vorteil der Single- Coil-Lampen ist, dass man eine höhere Leuchtdichte erreicht. Die Leuchtdichte ist das, was man als Helligkeit wahrnimmt. Außerdem erhält man mit der Single-Coil eine homogenere Lichtverteilung auf der Strasse.

Truckstar Pro ist eine Halogen-Lampe mit herkömmlicher Technik. Wann kommen die ersten LED-Scheinwerfer im Lkw/Bus-Segment?
Grundsätzlich kann man LEDs ohne Probleme im Lkw-Bereich einsetzen. Bei den Lkw haben wir ja auch noch die Xenon-Scheinwerfer, die im Moment stärker nachgefragt werden. Ich glaube, dass bei vielen Lkw-Herstellern und -Kunden derzeit noch die Meinung vorherrscht, dass man bei den Geschwindigkeiten, die gefahren werden, mit dem Halogen- beziehungsweise dem Xenonlicht klarkommt.

Helligkeit ist ein Thema, die Wartungsfreundlichkeit von LED-Lampen, die eine sehr viel höhere Lebensdauer als herkömmliche Lichttechnik haben, ein anderes. Denken Sie beziehungsweise ihre Kunden nicht auch in diese Richtung?
Natürlich denken wir auch in diese Richtung, schließlich ist die verlängerte Lebensdauer einer der Vorteile, die die Truckstar Pro Schienwerferlampen haben. Durch die Single-Coil-Technik ergibt sich eine etwa doppelt so lange Lebensdauer wie bei einer Lampe mit Coiled-Coil-Wendel. Aber sagen wir es so: Im Lkw-Bereich ist eine Lampe ein Verbrauchsgut. Das ist – vielleicht ein bisschen übertrieben jetzt – fast so wie das Wischwasser in der Scheibenwaschanlage. Viele Unternehmen tauschen die Lampen prophylaktisch aus, wenn die Fahrzeuge zur Wartung reinkommen. Das wird mit LEDs nicht mehr nötig sein. Bei Pkw geht man davon aus, dass die LED-Scheinwerfer ein Autoleben lang halten. Bei Lkw und Bussen wird das sicher eine Herausforderung, da die Einsatzzeiten im Vergleich zum Auto deutlich länger sind.

Abschließende Einschätzung: Wann kommt die LED-Technik für Nutzfahrzeug-Scheinwerfer oder sehen Sie da überhaupt keine Marktchancen?

Die LED-Technik hat eine ganze Reihe von Vorteilen: Niedrigerer Energieverbrauch, sehr hohe Lebensdauer und man kann, je nachdem wie komplex man das System gestaltet, viele Lichtfunktionen realisieren. Stichwort Abbiege-Licht oder Matrix-Beam-Scheinwerfer. Ich schätze, dass die Einführung aufgrund der höheren Sicherheitsanforderungen im Personenverkehr zunächst im Omnibus umgesetzt wird und dann im Bereich Lkw. Dass das kommen wird, ist aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit.

Herr Willacker, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Thomas Pietsch, Chefredakteur der PROFI Werkstatt.

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Seite | Rubrik Lichttechnik
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