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Interview mit Dr. Pius Trautmann

Interview mit Dr. Pius Trautmann, Leiter der Entwicklung im Geschäftsbereich ­Nutzfahrzeuge bei Mann + Hummel, über historische Filter, Veränderungen bei deren Einbau und die Entwicklung von neuen Filtern.

Für fast jedes Lkw- oder Busmodell hat Mann + Hummel Passendes im Sortiment.
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Thomas Pietsch

PROFI Werkstatt: Herr Dr. Trautmann, Mann + Hummel wird in diesem Jahr 75 Jahre alt. Hat das Unternehmen schon immer Filter hergestellt?
Dr. Pius Trautmann:
Ja, auch wenn die Anfänge in der Textilbranche, genauer gesagt beim Textilwerk Bleyle lagen, wo die beiden Firmengründer beschäftigt waren. Die Filtration kam im Jahre 1941 in das Textilwerk, weil der Kolbenhersteller Mahle seine Filterproduktion in Lohnfertigung an das Textilwerk auslagerte. Zu diesem Zweck wurde das Filterwerk Mann + Hummel gegründet. Ein Jahr danach übernahmen Adolf Mann und Dr. Erich Hummel dann die kompletten Anteile von Mahle.

Wann gab es die ersten Nutzfahrzeugfilter?
Das war bereits mit Unternehmensgründung der Fall, da das Unternehmen als kriegswichtig eingestuft wurde und für schwere Heeresfahrzeuge Filter herstellte.

Wie sahen die aus?
Das waren im Bereich Lkw in erster Linie Öl­badluftfilter oder Kraftstofffilter aus Filz.

Ein Ölbadluftfilter? Können Sie uns den bitte kurz beschreiben.
Das ist ein großer Luftfilter, an dessen Boden ein Ölsumpf schwimmt. Darüber ist ein Draht-geflecht montiert. Die Luft strömt auf dieses Öl zu und reißt Öltröpfchen mit. Die Schmutzpartikel scheiden sich im Öl ab. Das Öl und der Schmutz sammeln sich auch in diesem Drahtgeflecht, wo ebenfalls Partikel abgeschieden werden. Das schmutzige Öl tropft dann wieder hinunter in den See, sodass sich in den paar Zentimetern, die der Ölsee hoch war, ein Ölschlamm bildete. Das war ein Filter, der von den Serviceteilekosten gering war, weil man den einfach wieder sauber machen und neues Öl nachfüllen konnte. Das Drahtgewebe konnte ebenfalls gereinigt werden.

Das musste man dann wahrscheinlich relativ oft machen.
Ja, das stimmt. Und diese Filter hatten auch einen weiteren technischen Nachteil: Im Teillastbereich des Motors war die Effizienz sehr ­gering, weil sie eben davon abhängen, dass die Luft die Tröpfchen mitreißt. Das funktioniert ­natürlich umso besser, je höher die Strömungs­geschwindigkeit der Luft ist. Bei geringer Luft­strömung, was im Teillastbereich des Motors der Fall ist, säuselt die Luft mit dem Schmutz dann über den Ölsee und es passiert nicht viel. Im­ ­Gegensatz dazu sind filternde Abscheider, wie wir sie heute verwenden, weitgehend von der Durchströmungsgeschwindigkeit unabhängig und funktionieren bei niedriger Geschwindigkeit sogar eher besser.

Das waren die Ölbadluftfilter. Was wurde in den Nachkriegsjahren noch in einem Lkw-Motor gefiltert?
Das Motoröl zum Beispiel. Dafür gab es die sogenannten Kantenspaltfilter oder Spaltfilter. Das ist ein dreieckiger Draht, der mit seiner Spitze auf einen Korb aufgeschweißt wurde. Die flachen Seiten wurden Linie an Linie aufgewickelt und zwischen diesen dreieckigen Drähten war dann ein Spalt. Dort wurde dann das zurückgehalten, was nicht zwischen die Lücke in diesen Drähten gepasst hat. Auch dabei – das ist ganz klar – sind sie in der Partikelfeinheit limitiert. Man kann mit dieser Methode nicht beliebig feine ­Partikel ­filtern. Andererseits hatten auch diese Filter ­wieder den Vorteil, dass man sie in der Werkstatt reinigen konnte.


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Das war ja ganz schön nachhaltig damals.
Das ist schon richtig. Sie müssen aber in Betracht ziehen, dass zu dieser Zeit die Arbeitszeit weniger kostete als heute. Außerdem würden diese Filter den heutigen Ansprüchen aus technischer Sicht nicht genügen. Man muss sich vor Augen halten, dass die damaligen Fahrzeuge eine deutlich kürzere Lebensdauer hatten. Der Legende nach hat Volkswagen ja denjenigen „Käfer“-Besitzern eine goldene Uhr geschenkt, die mit ihrem Fahrzeug 100.000 Kilometer geschafft haben. Das ist so eine urbane Legende, ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt. Aber da hat sich natürlich einiges verändert. Moderne Nutzfahrzeuge schaffen heute 1,5 Millionen Kilometer. Dass diese heutigen Motorstandzeiten möglich sind, dazu hat die Filtration auch einen wesent-lichen Beitrag geleistet.

Worin genau liegt dieser Beitrag?
Über die schlechte Filtration, die man damals zur Verfügung hatte, ist sehr viel verschleißrelevantes Material in den kritischen Bereich des Motors gelangt und hat dort zu entsprechendem Verschleiß geführt. Die langen Lebensdauern von heute können nur zusammen mit einer effizienten Filtration dargestellt werden.

Wann haben sich denn die heute immer noch verwendeten Filter auf Papierbasis flächendeckend durchgesetzt?
Das war in den 1970er-Jahren. Bei den Pkw-Herstellern hat Volkswagen diese Technik komplett eingeführt. Das war dann auch das Ende der anderen Technologien, weil die Papierfilter einfach überlegen waren und sind.

Kommen wir zu den Kraftstofffiltern. Waren diese schon immer an Bord oder kamen die erst im Laufe der Motorenentwicklung hinzu?
Die waren schon immer Teil des Motorensystems – insbesondere bei Dieselmotoren. Bei Ottomo-toren ist das unkritischer. Bis heute ist die Filtration bei Benzin aufgrund der geringeren Drücke nicht so anspruchsvoll. Aber die Einspritzsysteme bei Dieselmotoren haben eine gewisse Sauberkeit des Kraftstoffes schon immer notwendig gemacht. Anfangs kamen dazu Wollfilze zum Einsatz. Und das waren bereits Wechselfilter.

Ich möchte jetzt zu einem anderen Thema kommen: Dem Einbau der Filter. Wie hat sich die Einbaufreundlichkeit verändert?
Im Nutzfahrzeugbereich hat die sich signifikant verbessert – speziell bei Flüssigkeitsfiltern. Da waren früher die sogenannten Spin-On-Filter oder Ölwechselfilter der Standard, der sich relativ schnell nach dem Spaltfilter etabliert hat. Das sind druckfeste Behältnisse, die komplett abgeschraubt und ausgetauscht werden. Die haben aber den Nachteil, dass sie als üblicherweise unten am Motor hängende Systeme und von der gesamten Struktur her nicht sehr servicefreundlich sind. Wenn zum Beispiel die Dichtung festklebt, ist der Filterwechsel mit enormem Kraftaufwand verbunden. Das ist im Nutzfahrzeugbereich nicht mehr Stand der Technik. Da gibt es nur noch zwei Hersteller in Europa, bei denen zur Zeit noch Spin-On-Filter eingebaut werden.

Wie heißt die neue Lösung?
Das sind Gehäusefilter, oder wie wir sie ­nennen: Filtermodule. Dabei wird der Service von oben und nicht mehr von unten gemacht. Das heißt, der Zugang zum Filter erfolgt nicht mehr aus der Montagegrube heraus, sondern von der Motoroberseite her – bei gekippter Kabine. Das sind abschraubbare Kunststoffkappen mit einem Filtereinsatz. Für den Filterwechsel brauchen Sie dann eine Ablaufmimik im Inneren des Moduls, sodass der Kraftstoff oder das Öl zurücklaufen kann. Wenn Sie dann kurz gewartet haben, können Sie den Filter komplett aufschrauben und sauber wechseln, weil die Flüssigkeit bereits abgelaufen ist. Eine schnelle und saubere Geschichte.

Wie wichtig sind derartige Themen bei der Entwicklung von neuen Filtern?
Servicefreundlichkeit ist etwas, das die Kunden ausdrücklich von uns verlangen. Das geht so weit, dass wir im Labor Versuche machen und mit der Stoppuhr spezifizierte Ablaufzeiten messen. Auch muss der Filter innen und außen leerlaufen können. Wenn sie einen Ablauf haben, bei dem das Öl im Filterinneren stehen bleibt, würden sie es nach dem Abschrauben sehr schnell merken. Das muss alles beim Design eines Filtersystems bedacht werden. Auch wenn Sie das als Nutzer letztendlich nicht sehen: Das wird alles hineingedacht und hineinentwickelt, weil unsere Kunden wissen, dass sie Reklamationen bekommen, wenn das nicht funktioniert. Zum Beispiel wenn die Mechaniker nach dem Filterwechsel eines bestimmten Fahrzeugtyps immer den Motor putzen müssen.

Wie hat sich die Herstellung der Filter ent­wickelt?
Die Filter werden heute hochautomatisiert ­ge­fertigt, das hat sich gegenüber den Anfängen dramatisch verändert. Wenn sie so ein Fertigungswerk für unsere Filter sehen, dann ist das ein weitestgehend automatisierter Prozess, der aber auch notwendig ist, um eine ­gleichbleibende Qualität herzustellen. Auf der anderen Seite brauchen Sie die Automatisierung auch, um die Kosten im Griff zu haben und wettbewerbsfähig zu bleiben – das ist ganz klar.

So einen modernen Luftfilter für einen Lkw ­könnte man ja auch gar nicht per Hand her-stellen.
Nein, natürlich nicht. Die Faltung des Papiers übernehmen Maschinen. Das Papier kommt auf großen Rollen an und wird dann gefaltet. Diese zunächst endlosen Zickzackbälge müssen aus der Maschine von Hand aufgenommen und dann für so einen Rundfilter zusammengeklebt werden. Der letzte manuelle Schritt ist dann noch das sogenannte Raffen dieser Bälge. Das heißt, man hat ein paar Quadratmeter Papier und muss ­diese gleichmäßig verteilt in eine Form bringen, die dann im weiteren Produktionsschritt maschinell fixiert wird. Das ist so eine manuelle Tätigkeit, die gar nicht so leicht ist, wie sie aussieht, denn der Balg hat eine gewisse Eigenspannung und es verlangt sehr viel Geschick, ihn in die Form zu bringen.

Kommen wir mal zum Hier und Jetzt. Was wird denn heute noch so alles im Nutzfahrzeug gefiltert, außer den bereits erwähnten Klassikern Ansaugluft, Motoröl und Kraftstoff?
Was hinzugekommen ist, sind zum Beispiel entsprechende Filter für die AdBlue-Einspritzung. Das sind Schutzfilter für das System, damit die Pumpen und Düsen der Harnstoff-Einspritzanlage nicht verstopfen. Dann die ganzen Hydraulikfilter für Lenkhydraulik, Bremshydraulik und weitere Systeme. Dieses Hydrauliköl muss ebenso gefiltert werden. Auch der Getriebeölfilter ist mittlerweile Stand der Technik. Dann haben wir noch sogenannte Tankbelüftungsfilter im Programm.

Davon habe ich ja noch nie gehört. Was ist das denn?
Wenn Sie den Kraftstoff verbrauchen, dann muss Luft in den Tank nachströmen. Und auch diese Luft muss gefiltert werden, weil Sie sonst immer das Risiko haben, dass damit Schmutz hineinkommt. Insbesondere da die Position der Tankbelüftung oftmals nicht sehr günstig ist.

Können Sie die Liste der Filtration im Nutzfahrzeug noch verlängern?
Selbstverständlich. Noch nicht erwähnt wurden die Kabinenluftfilter, auch Innenraumfilter genannt. Auch bei der Fahrerkabine ist es inzwischen Standard, dass die Zuluft gefiltert wird. Im Motor haben wir bei der Entlüftung des Kurbel-gehäuses eine Filtration beziehungsweise Ölabscheidung. Und dann kann ich noch die Trockenmittelbox anführen. Die ist in gewissem Sinne auch ein Filter. Sie befreit die Luft im Bremssystem von Feuchtigkeit. Jetzt muss ich noch mal überlegen. Ja, einer fällt mir noch ein: Der Ölbypassfilter. Der ist dazu da, den Ruß, der sich im Motoröl akkumuliert, teilweise herauszunehmen beziehungsweise den Konzentrationsanstieg des Rußes im Motoröl zu verlangsamen.
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Macht das nicht schon der Motorölfilter?
Nein, der ist extra darauf ausgelegt, möglichst keinen Ruß herauszufiltern, sondern nur größere, verschleißrelevante Partikel.

Das müssen Sie uns bitte kurz erklären.
Fangen wir so an: Wenn sie einen Motor haben, der nicht geschmiert wird, dann läuft der nicht lange. Das heißt schmieren ist im Motor die oberste Priorität. Und deshalb muss man die Partikel, die zu einem schnellen Verschleiß führen können, zu 100 Prozent zurückhalten. Also alles, was größer ist als circa 20 µm. Wenn sie einen kleinen Schaden im Motor haben, bei dem sich so ein Partikel bildet, dann muss der im ersten Durchgang aufgefangen werden, um keinen wei-teren Verschleiß zu induzieren. Der Ruß hingegen ist extrem fein, stört deshalb auch nicht wirklich. Aber ab einer gewissen Rußkonzentration verändert sich die Viskosität des Motoröls. Wenn also der Ruß entfernt werden soll, braucht man einen separaten Bypassfilter, bei dem das abgeregelte Motoröl, also das Motoröl, das nicht für die Schmierung benötigt wird, vorbeifließt, sodass die Hauptaufgabe des Schmierens durch diesen Filterprozess nicht gestört wird.

Haben diesen Filter alle Nfz-Motoren?
Nur Langstreckenfahrzeuge mancher Her-steller. Da gibt es welche, die haben im Extended Service Interval diesen Bypassfilter mit drin.

Wir befinden uns ja hier in der Entwicklungsabteilung. Was genau passiert hier?
Mann + Hummel ist so organisiert, dass wir unsere Applikationsentwicklung in den jeweiligen Geschäftsbereichen haben. Dabei handelt es sich um die Produkte, die nach speziellen Anforderungen unserer Kunden entwickelt werden und auch direkt zum Kunden gehen. Jede unserer Abteilungen beschäftigt sich mit Innovationen. Da jeder Kunde eine spezielle Aufgabenstellung hat, muss auch in fast jedem Projekt etwas verändert oder angepasst werden. In diesen individuellen Lösungen stecken dann auch viele unserer Innovationen. Und dann haben wir noch eine Vorentwicklungsabteilung, also Advanced Development. Die machen sich Gedanken über Themen, deren SOP (Start of Production, die Red.) drei Jahre und weiter weg ist. Das sind dann die Themen, die nicht zwingend vom Kunden angefragt sind, sondern man macht sich Gedanken darüber, was zukünftige Technologien sein könnten oder was die Hersteller zukünftig von unseren Produkten verlangen könnten.

Wie kann man sich diese Grundlagenforschung vorstellen?
Da geht es um neue Materialien, neue Filtersysteme, neue Filtermedien, neue Falttechnologien und Systemkomponenten.

Wenn man jetzt zum Beispiel an der Falt­tech-nik etwas ändert, kann man das dann auch real abbilden oder wird das nur am ­Computer simuliert?
Vieles wird zunächst simuliert. Das ist der erste Schritt, der einfach dazu gehört, um schnell und effizient Potenziale zu eruieren. Damit kriegt man ein Gefühl dafür, ob es eine interessante Richtung ist oder nicht. Wenn es erfolgversprechend ist, wird die Simulation verfeinert, um möglichst ­nahe an die Realität zu kommen. Der finale Schritt – an dem kommen Sie nicht vorbei – ist dann zum Beispiel bei der Filtermedienentwicklung der Gang zum Medienhersteller, der das Entwickelte abbilden muss. Die Frage ist dabei dann auch, ob das, was da entwickelt wurde, auch kompatibel mit der Massenherstellung ist. Alles, was sich als zu komplex herauskristallisiert, und damit sind in der Regel höhere Kosten verbunden, das wird sich am Markt nicht durchsetzen.

Wie ist das Verhältnis zwischen OE-Ausrüster und Aftermarkt? Was ist wichtiger für Mann + Hummel?
Wir haben da eine Symbiose. Beide Bereiche hängen voneinander ab. Das Aftermarkt-Geschäft lebt davon, dass wir in der Erstausrüstung vertreten sind, weil damit eine Qualität garantiert wird, die der Erstausrüstung entspricht. Dies stellt sicher, dass wir immer die aktuellen Kundenanforderungen kennen und an den Entwicklungen des Marktes teilhaben. Das ist im Aftermarkt ein wichtiges Kaufmerkmal. Deshalb ist es so wichtig, dass wir bei den OEM vertreten sind. Auf der anderen Seite ist es der Aftermarkt, der die Stückzahlen bringt und damit die Kosten pro Filter senkt, um letztendlich wettbewerbsfähig sein zu können. So ein Ölfilter wird zehnmal gewechselt im Laufe eines Nutzfahrzeugmotorlebens. Das heißt, wir produzieren den Filter einmal für den OEM und zehnmal danach. Also insofern: Wir leben von-einander und wir arbeiten eng zusammen.

Herr Dr. Trautmann, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Thomas Pietsch, Chefredakteur der PROFI Werkstatt.

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